Wer keine Mitschuld trägt, läuft nicht Gefahr, hohe Anwaltskosten tragen zu müssen. „Gerade bei unstreitiger Haftung hat die gegnerische Versicherung die Kosten des Rechtsanwalts zu erstatten – ohne Wenn und Aber“, erklärt Verkehrsrechtsanwalt Dammer. „Laut Rechtsprechung sind Anwaltskosten als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung Bestandteil der Schadenersatzansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers. Das ist so geregelt, weil ein juristischer Laie den Versicherern haushoch unterlegen ist“, erklärt Anwalt Dammer. Geschädigte können und sollten daher von Anfang an einen erfahrenen Anwalt für Verkehrsrecht zu Rate ziehen.
Trotzdem scheuen sich viele Unfallopfer zunächst einen Anwalt zu konsultieren, sondern vertrauen leichtfertig auf das freundliche Schadenmanagement der gegnerischen Versicherung. Die verfolgt aber ihre eigenen Interessen. „Wer der gegnerischen Versicherung die Regulierung der eigenen Ansprüche überlässt, macht schlichtweg den Bock zum Gärtner“, so Dammer.
Arten des Versicherungsbetrugs
Sie besitzen ausreichend kriminelle Energie, um einen Versicherungsfall zu inszenieren. Dabei treten die Betrüger oft als Geschädigte auf und sind häufig in Gruppen organisiert. Oft wird bandenmäßiger Versicherungsbetrug nur durch den Informationsaustausch mit anderen Versicherern und Behörden entdeckt. Dann werden Beziehungsgeflechte zwischen Bandenmitgliedern, Muster und Wiederholungen in der Vorgehensweise offenkundig.
Die große Mehrheit der Versicherungsbetrügereien geschieht durch Gelegenheitstäter, die zufällig Schäden zu ihren Gunsten manipulieren. Sie versuchen, den Schaden größer zu machen, als er eigentlich war oder erfinden einen Schadenhergang, damit die Versicherung den Fall auch gemäß Vertragsbedingungen reguliert.
Kommt es tatsächlich zum Wohnungseinbruch mit Diebstahl, ist das für Gelegenheitsbetrüger die Chance, die Liste der gestohlenen Gegenstände zu erweitern, um einen höhere Schadensumme zu kassieren. Dazu erfinden die Betrüger einfach Gegenstände oder nehmen Objekte in die Liste auf, die eigentlich Bekannten gehören.
Jährlich werden den Haftpflichtversicherern etwa 200.000 beschädigte Brillen gemeldet. Auch bei Autounfällen kommt häufig eine beschädigte Sehhilfe zum gemeldeten Autoschaden hinzu. 13 Prozent der Fälle sind nachweislich nicht plausibel. Fast jede dritte Schadenmeldung wird vom Antragsteller wieder zurückgezogen. In nur 57 Prozent der Fälle kommt es tatsächlich zur Zahlung der Versicherung. Bei den verdächtigen Meldungen fallen oftmals Anschaffungsbelege auf, die nicht zur Brille passen, vermeintliche Vorschäden oder überhöhte Schadenersatzforderungen.
Wer Geld von der Versicherung will, muss die Anschaffungskosten belegen. Die Fälschung oder Veränderung von Rechnungsbelegen ist dabei weit verbreitet. Die Betrüger versuchen so, höhere Erstattungen zu bekommen. Dabei werden sowohl falsche Rechnungen erstellt als auch vorhandene verändert. Viele davon fallen durch die Plausibilitätsprüfung, etwa weil das Datum nicht passt oder auf der Originalkopie des Händlers etwas ganz anderes steht.
Provozierte oder vorgetäuschte Autounfälle sind das bevorzugte Einsatzfeld organisierter und professioneller Versicherungsbetrüger. Unfälle werden mit Bekannten abgesprochen, vorgetäuscht oder vorsätzlich herbeigeführt. Die sogenannten „Autobumser“ verwickeln vorrangig junge und unerfahrene Fahrzeughalter in einen Unfall. Der Nachweis eines Betrugs in nicht einfach. Oft ist die Mitarbeit der Polizei, von Gutachtern und eine Unfallsimulation erforderlich. Das perfide: Die Betrüger nehmen auch Verletzungen des Fahrers billigend in Kauf, der zudem ohne Vollkaskoschutz auch noch den Schaden am eigenen Fahrzeug tragen muss.
Laut Versichererverband GDV haben die Betrugsfälle bei den elektronischen Geräten generell zugenommen. Besonders gerne wird mit kaputten Smartphones geschummelt. Eine Auswertung der Branche hat ergeben: Von 2.000 eingereichten Fällen war die Hälfte der Fälle nicht plausibel. Die Versicherungen lassen sich in der Regel das beschädigte Smartphone zusenden und übergeben es an Sachverständige. Diese prüfen, ob der Schaden zum geschilderten Vorfall passt. Was viele Versicherungsbetrüger übersehen: Selbst wenn die Versicherung den Schaden reguliert, erstattet sie höchstens den Zeitwert. Der schnelle Preisverfall gebrauchter und nicht mehr aktueller Geräte macht einen Betrug eigentlich unsinnig.
Entschließt sich der Geschädigte schließlich doch zur Klage, muss er zunächst für die Anwalts- und Gerichtskosten gerade stehen. Stellt das Gericht die Schuld des Unfallgegners eindeutig fest, wird dessen Versicherung auch diese Kosten übernehmen müssen. Im Beispielfall riet der Anwalt daher nach drei Monaten ohne Reaktion der gegnerischen Seite zur Klage.
Dann sollte allerdings zumindest die Deckungszusage des Korrespondenzversicherers vorliegen. Mit der Deckungszusage bestätigt dieser zumindest seine Zuständigkeit. Ansonsten besteht das Restrisiko, dass sich die Klage gegen die falsche Versicherung richtet, etwa weil weil der Unfallgegner falsche Angaben zu seiner Versicherung gemacht hatte oder der Versicherungsschutz bereits erloschen war. Dann weist das Gericht die Klage ab und der Kläger bleibt auf den Anwaltskosten sitzen. Und die können je nach Gegenstandswert der Klage leicht mehrere Hundert oder Tausend Euro ausmachen.
Im beschriebenen Fall kam die Deckungszusage leider erst nach mehrfachem telefonischen Insistieren des Anwalts – nach vier Monaten. Später entschuldigte sich die Versicherung dafür, die lange Bearbeitungsdauer entspräche nicht dem üblichen Standard. Zudem habe es lange Zeit benötigt, bis sich der polnische Fahrer und der dritte Beteiligte zum Unfallhergang geäußert hätten.
Nach Aussagen von ADAC und Allianz muss es aber gar nicht zu großen Verzögerungen kommen. Bei klaren Standardfällen und zeitnaher Übersendung der erforderlichen Unterlagen sollte die Regulierung nicht wesentlich länger dauern dauern als bei reinen Inlandsschäden. Dauert es trotzdem länger als sechs bis acht Wochen, bis der Schaden ersetzt wird, läuft irgendetwas schief. Zum Beispiel können auch unterschiedlichen nationale Vorschriften und Versicherungsbedingungen die Zusammenarbeit der Versicherungen erschweren. Dann sollten der Geschädigte und sein Anwalt dringend Gas geben und nachhaken - oder sogar klagen.