Ein häufiges Problem ist die Unterversicherung, die vielen Versicherten nicht einmal bewusst ist. Unterversichert bedeutet, dass der Wert der versicherten Immobilie zu niedrig angesetzt wurde und die Versicherungssumme, bis zu der die Versicherung maximal leistet, somit zu niedrig ist. „Wer zum Beispiel ein altes Haus aus den Siebzigerjahren kauft und die alte Police vom Vorbesitzer übernimmt, merkt vielleicht gar nicht, dass die Gebäudebewertung seinerzeit vielleicht stimmte aber nie aktualisiert wurde“, erläutert Philipp Opfermann, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale NRW. „Wurde etwa zwischenzeitlich das Dachgeschoss ausgebaut, ein Wintergarten angebaut oder der Keller zum Kinderzimmer, erhöht sich die Wohnfläche. Wurde vergessen, diese Vergrößerung der Wohnfläche dem Versicherer mitzuteilen, kann es im Schadenfall Ärger geben. Bei so einer Unterversicherung kann der Versicherer dann alle Leistungen im Verhältnis der Unterversicherung kürzen.“
Ein Beispiel: In der alten Police ist von 100 Quadratmetern Wohnfläche die Rede, inzwischen sind es aber 150 Quadratmeter. In der Folge kann die Versicherung alle Leistungen unabhängig von der Größe und Art des Schadens um ein Drittel kürzen , weil die Versicherungssumme nur zwei Drittel des Gebäudewerts abdeckt.
Unterversicherungsverzicht hilft nicht immer
Opfermann zufolge ist diese Fehleinschätzung ein Klassiker, weil die Verbraucher ihren Fehler nicht bemerken und dabei zum gleitenden Neuwert – also immer zu aktuellen Immobilienpreisen – versichert sind. Sind aber die dem Vertrag zugrunde liegenden Daten falsch, hilft auch ein vereinbarter Unterversicherungsverzicht (Versicherungsdeutsch: Verzicht der Einrede wegen Unterversicherung) nicht mehr. „Wenn die aus einer alten Police übernommenen Daten nicht mehr stimmen, greift der Unterversicherungsverzicht nicht und am Ende gibt es im Schadensfall viel weniger Geld als gedacht“, erläutert Opfermann.
Grobe Fahrlässigkeit aus Richtersicht
Das Landgericht Bonn hat die Leistungskürzung eines Versicherers in Höhe von 75 Prozent bei einem durch eine Trunkenheitsfahrt verursachten Vollkaskoschaden für rechtens erklärt (Az. 10 O 115/09). Der stark alkoholisierte Fahrzeugbesitzer hatte zwar wegen seines Rauschs das Steuer einem Begleiter überlassen, doch der hatte selbst zuviel Alkohol intus. Die Bonner Richter stuften die Fahrzeugüberlassung als „grobe Fahrlässigkeit im oberen Bereich“ ein. Der Versicherte habe gewusst, dass auch sein Begleiter nicht fahrtüchtig war. Die Leistungskürzung von 75 Prozent sei daher gerechtfertigt, nicht jedoch ein vollständiger Leistungsausschluss, da das Verhalten nicht ganz so schwer wiege wie eine eigene Trunkenheitsfahrt.
Eine Versicherte hatte einen Unfall verursacht, weil sie bei rot über die Ampel fuhr. Sie habe das Rotlicht wegen der tief stehenden Sonne übersehen. Die Richter des Landgericht Münster (Az. 15 O 141/09) befanden jedoch, es sei unerheblich, ob die Unfallverursacherin aus Unachtsamkeit in die Kreuzung eingefahren sei oder weil sie von der Sonne geblendet war. Das Missachten einer roten Ampel sei grundsätzlich ein besonders gravierender Pflichtverstoß und damit immer eine grobe Fahrlässigkeit. Das Gericht gab einer Versicherung Recht, die ihre Leistungspflicht um 50 Prozent reduziert hatte.
Wer mit abgefahrenen Reifen unterwegs ist, muss im Schadensfall mit einer Kürzung von 25 Prozent der vereinbarten Leistung rechnen.
Steckt der Autoschlüssel im Zündschloss und das Auto wird gestohlen, kann die Versicherungsleistung um 75 Prozent gekürzt werden. Wer ansonsten nicht sorgsam mit seinem Autoschlüssel umgeht und diesen zum Beispiel in der Kneipe auf den Tresen legt, dem droht bei Autoklau eine Reduzierung der Versicherungsleistung um 25 Prozent.
Wer die Anweisung eines Stoppschilds oder eines festen grünen Abbiegepfeils missachtet, muss mit einer Kürzung des Schadens 25 Prozent der vereinbarten Leistung rechnen.
Auch für andere Versicherungssparten als die Autoversicherung gilt die Neuregelung zur groben Fahrlässigkeit. Im konkreten Fall geht es um Leistungen aus einer Gebäudeversicherung. Der Eigentümer hatte die Wasserrohre einer leerstehenden Wohnung nicht entleert. Deshalb kam es im Winter zu einem Wasserschaden. Die beklagte AXA-Versicherung wollte nur die Hälfte des Schadens ersetzen. Sie berief sich auf im Vertrag festgelegten Pflicht des Eigentümers, die Rohre zu leeren. Hiergegen habe der Kunde verstoßen. Dem widersprach der BGH (Az.: IV ZR 199/10): Die Klausel sei komplett unwirksam. Denn sie sei nicht an das neue Recht angepasst worden.
Eine Wohngebäudeversicherung klagte gegen einen Mieter, der in seiner Wohnung einen Topf mit Öl erhitzt hatte. Als er die Küche für einen Moment verließ, um das Fernsehgerät einzuschalten, vergaß er das erhitzte Fett zu beaufsichtigen, das nach kurzer Zeit entflammte und ein Feuer auslöste, dessen Brand das gesamte Haus erfasste. Das Verhalten des Mieters sei jedoch nicht als besonders grob fahrlässig einzustufen. Es habe sich, so die Richter des Bundesgerichtshofes (Az.: VI ZR 196/10) nicht um grobe Fahrlässigkeit, sondern lediglich um Augenblicksversagen gehandelt.
Grundsätzlich ist dieser fatale Irrtum auch bei der Hausratversicherung anzutreffen. Meist kalkulieren die Anbieter die Versicherungssumme nach der Formel: Quadratmeter Wohnfläche mal 650 bis 700 Euro. Damit es im Schadensfall nicht zu Leistungskürzungen kommt, müssen Verbraucher also dafür sorgen, dass der Versicherung aktuelle Daten vorliegen und die Versicherungssumme wenn nötig nach oben angepasst wird. Dann allerdings darf die Versicherung auch ihre Beiträge erhöhen. „Ein Unterversicherungsverzicht sollte in jedem Fall vereinbart werden“, rät Verbraucherschützer Opfermann.
Zu viel erwarten viele von der Hausratversicherung, wenn es um Wertgegenstände geht. Denn die Versicherungspolicen übernehmen standardmäßig den Ersatz von teurem Schmuck, Kunstgegenständen oder Antiquitäten nur bis zu einem Teil der Versicherungssumme, zum Beispiel bis zu 20 Prozent. Ist diese Budget für die wertvollen Gegenstände nicht ausreichend, muss eine höhere Versicherung gesondert vereinbart werden.