Versicherungsvertreter Mehmet Göker im NDR "Das Geld kommt zu mir, auf welchem Weg ist doch egal"

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Gökers Größenwahn und Unverfrorenheit


Alles andere wäre auch nicht opportun. Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt noch immer gegen den Mann, unter anderem wegen Insolvenzverschleppung, aber auch einiger anderer unappetitlicher Geschichten. Und einen europaweiten Haftbefehl gibt es ebenfalls. Gute Geschäftspartner sehen anders aus.

Der Gescholtene selbst aber brüstet sich in dem NDR-Film mit Großem: Axa, Hallesche, Hanse-Merkur – er mache mit vielen Versicherern Geschäfte. „Das Geld kommt zu mir, auf welchem Weg ist doch egal.“ Tatsächlich gehen Branchenbeobachter davon aus, dass Vertriebsgenie Göker im Auftrag anderer Makler indirekt für große Versicherungen arbeitet.

Es ist die alte Mischung aus Größenwahn und Unverfrorenheit Gökers, die auch diesen Film wieder faszinierend macht. Zwei Jahre lang hat Filmemacher Klaus Stern Mehmet Göker immer wieder in der Türkei begleitet, stößt mit der Kamera auch in intimste Lebensbereiche des Pleitiers vor. Auch wenn nicht immer ganz klar ist, was Realität und was für den Film sorgsam gewählte Inszenierung ist. Immerhin lässt Göker in den nächsten Tagen auch eine Biographie seiner selbst veröffentlichen, geschrieben vom Boris-Becker-Biographen, und legt es erkennbar auf öffentliche Inszenierung an.

Dafür verprassen Deutsche ihre Lebensversicherung
Platz 10: Hobbys (1,7 Prozent)Rund 40 Milliarden Euro zahlen deutsche Versicherer jährlich für auslaufende Lebensversicherungen aus. Das stecken nur 1,7 Prozent der Empfänger in ihre eigenen Hobbys. Die Zahlen stammen von der Gothaer Versicherung. Diese hat die Gesellschaft für Konsumforschung GfK beauftragt, über 1.000 Deutsche zu ihren "Zahltag-Wünschen" zu befragen, wenn die Lebensversicherung fällig ist. Quelle: dpa
Platz 9: Zweit-Wohnsitz im Ausland (2,7 Prozent)Ein Domizil an der Sonne gilt als klassische Ausgabe für Senioren. Dabei wollen nur 2,7 Prozent der Befragten ihre Lebensversicherung für eine Immobilie auf Mallorca und Co. verprassen. Quelle: dpa
Platz 8: Erfüllung von Kauf-Wünschen (3 Prozent)Deutschlands Senioren geben sich bescheiden. Auch dem Klischee des Rentners, der sich endlich ein Cabrio leisten kann, wollen sie nicht folgen. Nur drei Prozent wollen sich solche teuren Wünsche erfüllen, wenn die Lebensversicherung fällig ist. Quelle: dpa
Platz 7: Wohnung oder Haus kaufen (7,7 Prozent)Deutlich mehr Befragte wollen im Alter eine Immobilie kaufen: 7,7 Prozent planen ihre Lebensversicherung dafür einzusetzen. Die Rekord-Preise zahlreicher Immobilien in München, Düsseldorf oder Frankfurt können sich ohnehin nur noch junge Glücksritter oder eben "Best-Ager" leisten. Der Deutschen Bank zufolge stiegen die Immobilienpreise in Großstädten seit 2008 jährlich um sieben Prozent. Quelle: dpa
Platz 6: Anlage für Kinder oder Enkelkinder (9,3 Prozent)Viele Deutsche geben sich bei der Lebensversicherung uneigennützig: 9,3 Prozent nutzen die Auszahlung, um sie wieder für ihre Kinder oder Enkelkinder anzulegen. Quelle: obs
Platz 5: Renovierungen (10,7 Prozent)Im Alter haben sich viele Deutsche oft schon Haus und Grund zugelegt - und bringen mit ihrer Lebensversicherung Haus und Wohnung wieder in Schuss. 10,7 Prozent der Befragten haben Renovierungen als "Zahltag-Wunsch" angegeben. Quelle: dpa
Platz 4: Weitersparen (11,8 Prozent)Kaum ist das ersparte Geld da, soll es wieder reinvestiert werden: 11,8 Prozent wollen nach der Auszahlung ihrer Lebensversicherung weiter sparen. Quelle: dpa


Und doch legt der Film mehr offen, als er verklärt. Etwa als er Szenen zeigt, wie hochrangige Versicherungsmanager sich bei Göker anbiedern. Oder wie Göker sein Unternehmen mit seinen meist jungen Mitarbeitern führt. „Cem, es ist wie fast immer bei dir“, brüllt er einen jungen Mann nach einem Arbeitstag an. „Es ist konstant Sch...“. Und doch lieben ihn die meisten der jungen Männer, die er um sich schart, um sie nach seinem Vorbild zu formen.

Junge Männer bewundern Göker als Wegbereiter

Meist junge Männer mit schlechter Ausbildung aus deutschen Migranten-Familien, die in Göker den Wegbereiter für eine Zukunft sehen, an die sie lange nicht geglaubt haben – und deswegen den Bootcamp-artigen Alltag in Gökers türkischer Wohn- und Büro-Anlage hinnehmen.

Bei aller Großmäuligkeit aber kann der kamerafreudige Göker, der auch in der Türkei lebt, um sich einem EU-weiten Haftbefehl zu entziehen, den wahren Zustand von Befindlichkeit und Geschäft nicht wirklich vertuschen.

Es sind die eher leisen Zwischentöne des Films, die das ganze Breitbeintum Gökers entlarven: Dass er etwa in der ersten Hälfte Lamborghini fährt, in der zweiten eine gebrauchte Mercedes E-Klasse. Dass ihm ab Oktober 2014 die liquiden Mittel ausgehen und der sonst so abgebrühte Göker vor laufender Kamera panisch wird.

Es sind Szenen wie diese, die den Film zu einem Festspiel für kapitalistische Voyeure machen. Und zeigen, dass auch in diesem Fall dem Kasseler Regisseur Stern, wie in vielen Filmen zuvor, ein weiteres Mal gelungen ist, die Schwächen des Kapitalismus' und seiner Protagonisten aufs feinste zu sezieren.

Ausstrahlung "Versicherungsvertreter 2. Mehmet Göker macht weiter": Montag, 7. September, 23.15 Uhr, NDR

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