Mensch und Maschine Sex mit Frankensteins Monster

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Wenn Kinder Roboter Nachahmen

Vor einem Jahr trafen sich die weltweit führenden Hersteller von Robotern in Krakau. Eines der größten Unternehmen heißt Aldebaran, das einen der beliebtesten Roboter weltweit geschaffen hat: Pepper. Als ein Unternehmensvertreter die Bühne betrat, sollte es nicht nur um neue Funktionen gehen. Sondern er schilderte eine Beobachtung, von der er selbst nicht so recht wisse, welche Schlussfolgerungen er daraus ziehen kann: Kinder, die mit Pepper aufwachsen, imitieren den Roboter. Sie ahmen seine Gestik nach, sie sprechen so, wie sie das vom Alltagsbegleiter kennen. Sie verhalten sich so, wie sie es sich beim Roboter abgeschaut haben. Die Menschenkinder orientieren sich am Roboter.

Im Publikum saß der deutsche Maschinenethiker Oliver Bendel. Seit 20 Jahren erforscht der Wissenschaftler das Zusammenleben von Mensch und Maschine. „Manche Menschen reden mit Bäumen, ich rede mit meinem Auto. Ich liebe technische Geräte. Das Problem ist nur, wenn Menschen keine andere Wahl haben, als mit der Maschine zu reden“, sagt Bendel. Zum Beispiel, wenn Kinder mit dem Roboter allein gelassen werden. Oder wenn die Maschine den menschlichen Kontakt ersetzt.

So gibt es beispielsweise Roboterbestseller, die vor allem in Japan eingesetzt werden. Einer heißt Paro, eine kleine, weiße Plüschrobbe. Das Kuscheltier ist mit Sensoren ausgestattet, und es reagiert mit schmusenden Bewegungen, wenn man es streichelt. Insgesamt 5000 Mal wurde die Robbe bislang verkauft. Sie wird vor allem bei Demenzkranken eingesetzt, die dadurch zu sozialer Interaktion angeregt werden.

Als Roboterfan Bendel das sah, wusste er, dass für ihn eine Grenze überschritten ist. „Für mich hat das etwas Tragisches. Menschen, die glückselig vor sich hinlächeln, während sie mit einer Maschine reden“, sagt er. Bendel hat deshalb eine Verfügung erstellt. Im Fall einer Demenzerkrankung möchte er nicht von Therapierobotern betreut werden. Ob dies dann von Ärzten eingehalten werde, sei eine andere Frage, doch der Wissenschaftler will damit auf die Relevanz des Themas aufmerksam machen. Seine Verfügung liest sich wie eine Übersicht zum Status quo der Medizinrobotik. Auf drei Seiten führt er aus, was es schon gibt. Damit man dann ankreuzen kann, was man nicht will. Zum Beispiel OP-Roboter, wie das DaVinci-System, von dem über 4000 weltweit im Einsatz sind. Der Arzt steuert, doch der Roboter gleicht das Zittern des Arztes aus, die Schnitte sind exakter und die Körperstellen besser ausgeleuchtet. Das größte Wachstumspotenzial haben jedoch die Geräte, die in Bendels Verfügung unter Punkt 2 aufgeführt sind: Pflegeroboter.

In der Immanuel Klinik in Rüdersdorf bei Berlin sind vier Roboter in Einsatz, die jeden Tag rund 28 Kilometer fahren. Um Essen zu Stationen bringen, um schmutzige Wäsche abzuholen und den Müll wegzubringen. Es gibt Roboter, die helfen, einen Patienten umzubetten, oder die erkennen, wann sich jemand aufrichten möchte – und ihn dabei unterstützen. Doch die Systeme sollen intelligenter werden. Und sich miteinander austauschen. So soll die Waschmaschine dem Roboter sagen, wenn sie fertig zum Ausladen ist – oder die Mikrowelle dem Transportroboter, wenn das Essen warm ist. „Derzeit ist es einfacher, einzelne Komponenten zu einem funktionalen Gesamtsystem zu verbinden, als einen All-in-one-Roboter zu kreieren, der alles können muss“, sagt Maren Bennewitz. Eines haben all diese Roboter gemeinsam. Sie können nur funktionieren, wenn sie erkennen und hören können, wann sie aktiv werden sollen. Wir werden also in Zukunft deutlich mehr Sensoren im Alltag haben – und dadurch deutlich mehr Daten produzieren: Stimmaufnahmen, Bilder, GPS-Koordinaten. „Solange Daten auf dem Roboter bleiben, ist das kein Problem. Doch natürlich müssen wir sicherstellen, dass jeder Mensch entscheiden kann, welche Informationen wo gespeichert werden“, sagt Informatikerin Bennewitz.

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