Aus der weiten Welt

„Platzt die China-Blase?“

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Aktuelle Lage

Stärken und Schwächen der BRIC-Staaten
Die Skyline der Millionen-Metropole Shanghai, China Quelle: REUTERS
Leute shoppen auf den Straßen von Sao Paulo, Brasilien Quelle: dapd
Der ehemalige brasilianische Präsident Lula da Silva mit ölverschmierten Händen auf einer Ölplattform vor Bacia De Campos Quelle: dpa
Indien befindet sich laut einer Studie der Weltbank zu den Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeiten nur auf Platz 132. Genehmigungen, Kredite bekommen, Vertragseinhaltung - alles ist auf dem Subkontinent mit erheblichen Aufwand und Unsicherheiten verbunden. Hinzu kommt Korruption, eines der größten Probleme für das Land. Transparency International listete Indien im Jahr 1999 noch auf Patz 72, elf Jahre später ist das Land auf Platz 87 im Korruptionsindex abgerutscht. Nicht nur für die ausländischen Unternehmen ist Korruption ein Ärgernis, weil sie stets fürchten müssen, dass Verträge nicht eingehalten werden. Korrupte Beamte und Politiker sind auch eine enormes Problem für die mittleren und unteren Schichten, denen schlicht das Geld zur Bestechung fehlt. Um öffentliche Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die den Bürgern per Gesetz zustehen, müssen laut Transparency International mindestens 50 Prozent ihrer Befragten Bestechungsgelder zahlen. Der volkswirtschaftliche Schaden ist immens. Analysten gehen davon aus, dass die Direktinvestitionen in Indien um ungefähr 31 Prozent zurückgegangen sind und aus dem indischen Aktienmarkt etwa 1,4 Milliarden Euro abgezogen worden sind. Besonders brisant: nach einer Studie der Washingtoner Global Financial Integrity Organisation leitete die Liberalisierung und Markt-Deregulierung im Jahr 1991 die Hochzeit der Korruption und des illegalen Geldtransfers ein. Im Bild: Der Antikorruptions-Aktivist, Anna Hazare, im August 2011 in Neu Delhi. Hazare ging für zwölf Tage in einen Hungerstreik, um gegen die grassierende Korruption seines Landes zu protestieren. Tausende Sympathisanten unterstützen den Aktivisten bis zum Schluss seiner Aktion. Quelle: dapd
Verkehrsstau auf dem Delhi-Gurgaon Expressway, in Neu Delhi, Indien. Quelle: AP
Im Bild: eine Fabrikarbeiterin in einer Textilfabrik aus der Provinz Anhui, China. Quelle: REUTERS
Im Bild: Ein Eierverkaufsstand in Jiaxing, Zhejiang Provinz. Quelle: REUTERS

Richtig ist, dass sich die Konjunktur in China abschwächt. Im zweiten Quartal ging das Wirtschaftswachstum jetzt das sechste Mal in Folge zurück. Das Bruttoinlandsprodukt verzeichnete mit einer Zunahme von nur noch 7,6 Prozent gegenüber Vorjahr den niedrigsten Anstieg der vergangenen zehn Jahre. Der Elektrizitätsverbrauch, den manche Wirtschaftsexperten aus Skepsis gegenüber der offiziellen chinesischen Statistik als eher realistischen Konjunkturindikator verwenden, stagnierte sogar im Juni.

Sanfte Landung

Doch nach meinem Eindruck kann China eine harte Landung vermeiden, wenn die Eurozone nicht auseinanderbricht und die Weltwirtschaft nicht in eine tiefe Rezession stürzt.

Dass das Wachstum unter acht Prozent fällt, sehen manche Beobachter auch schon als alarmierenden Hinweis, dass China in eine politische Legitimitätskrise schlittern werde, weil sich dann sozialer Sprengstoff entzünden würde. Die Acht-Prozent-Marke galt bislang als das Mindestwachstum, das China benötigt, um all den Menschen zu einem Job zu verhelfen, die neu auf den Arbeitsmarkt strömen. So wuchs die Zahl der chinesischen Arbeitskräfte zwischen 1991 und 2000 jährlich um 8,7 Millionen Menschen. Doch das sieht schon seit einiger Zeit etwas anders aus. In diesem Jahr wird die Zahl der zusätzlich auf den Arbeitsmarkt kommenden Arbeitskräfte weniger als 5,2 Millionen betragen. China kann also auch mit Wachstumsraten von weniger als acht Prozent leben.

Genügend Spielräume

Aber China hat auch genügend geld- und finanzpolitischen Spielraum zum Gegensteuern und wird alles tun, um einen weiteren Einbruch zu verhindern, nicht zuletzt wegen des Parteitags der KP im Herbst, auf dem eine neue Führung präsentiert werden soll. Obwohl die Notenbank schon Mindestreserven und Zinsen gesenkt hat, besteht hier noch weiterer Spielraum nach unten. Denn die Inflation sinkt schneller als erwartet. Im Juni stiegen die Konsumentenpreise nur noch um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Regierungsziel liegt bei vier Prozent.

Auch in der Fiskalpolitik hat die Regierung noch Handlungsspielraum. Die vorsichtigen Wirtschaftslenker der KP haben ihr Pulver trocken gehalten. Das Haushaltsdefizit lag 2011 bei gerade Mal zwei Prozent, die Verschuldung aller staatlichen Ebenen bei 55 Prozent des BIP, und im ersten Halbjahr stiegen die Steuereinnahmen um 12,2 Prozent. Bei solchen Zahlen würden die Staatschefs der Eurozone in Brüssel auf den Tischen tanzen.

Beobachter rechnen deshalb mit weiteren Steuersenkungen zur Ankurbelung der privaten Wirtschaft, wie sie Peking schon zu Jahresbeginn mit einer Halbierung der Steuerlast für kleine Unternehmen in Kraft setzte. Dazu werden auch Ausgabenprogramme vorbereitet etwa für öffentlichen Wohnungsbau, Infrastruktur und Energieeinsparung. Das wird zwar nicht so gigantisch sein wie das Stimulierungsprogramm 2009 mit drei Prozent des BIP, mit dem China damals einen spektakulären Turnaround bewirkte und das Wachstum von 6,6 Prozent im ersten Quartal 2009 innerhalb eines Jahres auf 12,1 Prozent hochkatapultierte, das jedoch auch die Inflation anheizte und die Immobilienpreise hochtrieb.

Wenn Chinas Wirtschaft dann in diesem Jahr zwischen sieben und acht Prozent wächst, dann ist das zwar wenig vor dem Hintergrund der zweistelligen Raten der vergangenen drei Jahrzehnte, ab völlig ausreichend und vor allem nachhaltiger.   

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