Aus der weiten Welt

„Platzt die China-Blase?“

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Hohe Investitionen

Die Geisterstadt Ordos in der Inneren Mongolei Quelle: dpa

In China besteht bislang jedoch keine kreditfinanzierte Immobilienblase. Zwar war der Immobilienmarkt heiß gelaufen, die Preise sind in vielen Orten zwischen 2008 und 2011 um 40 Prozent gestiegen und seitdem um 20 Prozent gefallen. Im Unterschied zu den USA oder auch Irland und Spanien hat die Regierung jedoch nicht den Immobilienkauf und damit die Immobilienblase gefördert, sondern schon im Frühjahr 2010 Maßnahmen gegen die Preisspekulation eingeleitet. Die Käufer mussten nicht mehr nur 20 Prozent, sondern 30 Prozent Eigenkapital und mehr mitbringen – damit bestand keine Gefahr, dass der Wert der Immobilie unter den der Hypothek sinken und eine Bankenkrise verursachen konnte. Zudem wurde die Zahl der Immobilienkäufe pro Person limitiert und eine Steuer auf den Kauf von Luxusimmobilien eingeführt.

Ohnehin entspricht der in den USA übliche Kauf auf Kredit nicht chinesischen Gepflogenheiten, weder bei Immobilien noch bei Autos. Chinas Hypothekenkredite machen  nur 15 Prozent des gesamten Kreditvolumens aus, lediglich zehn Prozent der städtischen Haushalte haben überhaupt Hypothekenkredite. Insofern haben wir es in China wohl mit einer Korrektur des heiß gelaufenen Häusermarktes zu tun, aber nicht mit dem Platzen einer kreditfinanzierten Immobilienblase wie in den USA, Spanien und Irland.

Dass Schulden des öffentlichen und privaten Sektors in China von 50 Prozent 1981 auf inzwischen auf circa 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen ist, sehen die Focus-Autoren jedoch als weiteren Beleg für ihre Blasenthese. „Ein auffallend hoher Wert“ schreiben sie.  Hätten sie sich doch mal die Zahlen der USA besorgt. Denn tatsächlich ist der Wert eher niedrig. Der entsprechende Wert lag für die USA im Jahr 2008, also unmittelbar vor der Weltfinanzkrise, bei 375 Prozent des BIP.

Chinas Risiko von Überinvestition und Überkapazitäten

Die Immobilienblase sieht Focus als Teil einer generellen Überinvestition. Die Investitionsraten seien im Vergleich zum Konsum viel zu hoch. Tatsächlich ist der Wachstumsbeitrag der Anlageinvestitionen, zu denen ja auch Immobilien zählen, sehr hoch. Aber folgt daraus schon, dass das System aufgrund von Überkapazitäten zusammenbrechen muss?

Zu den Fakten: Der Anteil der Anlageinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt ist in der Tat auf 48 Prozent gestiegen und damit wesentlich höher als in anderen Ländern – allerdings bei einer Sparquote von 51 Prozent. Gefährlich würde es aber erst dann, wenn die Investitionen höher sind als die Sparleistung und die Differenz durch ausländische Kredite finanziert werden müsste, die die Verschuldung hochtrieben.

Die Ökonomen der HSBC-Bank halten denn auch  „die Sorge wegen Überkapazitäten für übertrieben“. Dass trotz hoher Investitionsausgaben keine Überinvestition vorliegt, zeigt sich nach ihrer Ansicht beim Vergleich des Kapitalstocks pro Einwohner. So beträgt Chinas Kapitalstock pro Einwohner nach ihrer Berechnungen lediglich sieben Prozent des US-Niveaus. Nach Kaufkraftparitäten gemessen kommt GK Dragonomics auf einen Wert von 20 Prozent.

Insofern teilt China trotz großer Anstrengungen noch das Schicksal einer unterentwickelten Infrastruktur mit vielen Schwellenländern. Für den Bau von Straßen, Schienenwegen und U-Bahnen besteht noch viel Spielraum, bis das Niveau der entwickelten Länder erreicht ist. Im Vergleich mit den USA mit etwa der gleichgroßen Fläche und einem Drittel der Einwohner hat China ein weniger als halb so großes Eisenbahnnetz. Das Straßennetz ist im Vergleich mit den OECD-Industrieländern nur ein Drittel so groß. Von 100 Städten mit mehr als fünf Millionen Einwohnern haben bislang mehr als 80 noch keine U-Bahn.

Aber auch wenn aus Chinas hoher Investitionsquote kein unmittelbares Krisenpotenzial resultiert, so ist sie doch ein spannender Indikator - für die Ineffizienz staatlich gelenkter und finanzierter Investitionstätigkeit. So zitiert der Economist Wissenschaftler, nach deren Berechnung China in den vergangenen Jahrzehnten dasselbe Wachstum erreicht hätte, wenn die Staatsunternehmen effizienter gewirtschaftet und keinen privilegierten, also zu preiswerten Zugang zu Kapital gehabt hätten.

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