Donald Trump Der Buhmann und die Briten

Leidenschaftlich diskutiert das britische Parlament über ein Einreiseverbot für Donald Trump. Eine Abstimmung gibt es am Abend aber nicht – der US-Präsidentschaftskandidat darf weiter auf seinen Golfplatz in Schottland.

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Eine Gefahr für das Gemeinwohl? Der US-republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump beschäftigt das britische Parlament. Quelle: AFP

London Er hetzt gegen Muslime, zieht über Frauen her, verspottet die Homo-Ehe: Der US-republikanische Präsidentschaftsbewerber Trump hat eine gewisse Meisterschaft darin entwickelt, Minderheiten, Konkurrenten und selbst Staaten vor den Kopf zu stoßen. Ein rüpelhaftes Benehmen, das den 69-Jährigen US-Milliardär in den USA populär macht, ihm in Großbritannien jedoch viele Sympathien gekostet – und nun sogar das britische Parlament beschäftigt hat.

Ist Trump eine Gefahr für das Gemeinwohl? Das ist eine Frage, die am Montag bis in den Abend hinein ebenso leidenschaftlich wie folgenlos in einer Nebenkammer des Westminster-Parlaments diskutiert wurde. Eine Abstimmung war dabei aber von vorneherein nicht vorgesehen. Trump darf also auch in Zukunft seine Golfplätze in Schottland aufsuchen. Denn Premierminister David Cameron hat Trumps Aussagen zwar verurteilt, sich aber frühzeitig gegen ein Einreiseverbot ausgesprochen.

„Lächerlicher Fremdenhasser“

Eine Sichtweise, mit der Cameron in Westminster allerdings keineswegs unumstritten ist. Die Labour-Abgeordnete Tulip Siddiq machte in der Debatte in einem Nebenraum des Parlaments früh klar, was sie von dem exzentrischen US-Milliardär hält: gar nichts. Dessen Worte seien nicht „lustig, sondern vergiftet“, ruft sie erregt in dem mit befrackten Saaldienern gesäumten Raum.

Der Abgeordnete Gavin Robinson nennt Trump sogar einen „lächerlichen Fremdenhasser“. Eine Einschätzung, die nicht nur mancher der 30 Abgeordneten teilt, der an dem U-förmigen Tisch mit seinen mit grünem Leder beschlagenen Stühlen Platz genommen hat, sondern auch viele Briten im Lande.

Mehr als 573.000 Menschen hatten eine Online-Petition unterzeichnet, die ein Einreiseverbot für Trump fordert. Nur 43.000 Unterschriften fand dagegen ein Gegenantrag mit dem Titel „Erteilt Trump kein Einreiseverbot für das Vereinigte Königreich“. Jede Petition jedoch, die von mehr als 100.000 Briten unterzeichnet wird, muss automatisch vom Parlament geprüft werden. Eine Entscheidung wird bei Online-Petitionen jedoch nicht unmittelbar gefällt – der Ausschuss kann nach britischem Recht die Regierung nur auffordern, aktiv zu werden. Das letzte Wort hat so Innenministerin Theresa May.

Der Bann ist allerdings mehr als eine skurrile Idee. Nach britischem Gesetz kann die britische Innenministerin durchaus Personen die Einreise verweigern, wenn es dem Gemeinwohl dient. So wurde allein im vergangenen Jahr Hunderten Menschen auf Grundlage dieser Richtlinie in Großbritannien die Einreise verweigert - darunter nicht nur Islamistenpredigern, sondern auch Mitgliedern des Ku Klux Clans und der christlich-fundamentalistischen Westboro Baptist Church, sowie zwei anti-muslimischen Bloggern.

Eine zwielichtige Gesellschaft, in der Trump nach Ansicht der britischen Society of Black Lawyers, die zu den Unterstützern der Petition zählt, bestens aufgehoben ist. Im Text des knapp formulierten Antrags, heißt es ausdrücklich, dass das Königreich auch schon anderen Personen wegen „Hassrede“ die Einreise verweigert habe. Wenn das Land auch weiterhin Menschen auf der Basis von „unakzeptablem Verhalten" die Einreise verweigern wolle, schreiben die Initiatoren, müssten die Kriterien gleichermaßen für „Reiche und Arme, Mächtige und Machtlose“ gelten.


„Eindeutig den Verstand verloren“

Es sind dabei vor allem zwei Geistesblitze von Trump, die viele Briten auf die Palme bringen. Zum einen seine Aufforderung, Muslime nicht mehr in die USA einreisen zu lassen. Zu anderen hatte Trump behauptet, in Teilen Londons müsse die Polizei um ihr Leben fürchten. Der Bürgermeister der britischen Hauptstadt, Boris Johnson, erwiderte umgehend, der 69-Jährige habe „eindeutig den Verstand verloren“. Auch Scotland Yard widersprach. Seitdem ist Trump bei vielen Briten unten durch.

Der Buhmann und die Briten. Ist Trump ein Hassprediger, der nicht ins Land gelassen werden darf? Die Debatte speiste ihre Würze dabei nicht allein aus dem Umstand, dass ein befreundetes westliches Land erwägt, einem möglichen künftigen Präsidenten der USA zur unerwünschten Person zu erklären. Die Diskussion bezieht ebenso ihren Reiz daraus, dass die Trump-Kritiker dem US-Milliardär nun genau dieselbe Medizin verabreichen wollen, die dieser für Muslime in den USA angemessen hält: ein generelles Einreiseverbot.

„Es ist eine interessante Frage: Wie gehen wir, als offene Demokratie, mit Menschen um, die Dinge sagen, mit denen wir nicht übereinstimmen?“, fragte demonstrativ das konservative Komitee-Mitglied Steve Double. Seine Meinung sei, dass Großbritannien „Menschen wie Donald Trump nicht bannen“ sollte, sondern dass „wir den Mut haben sollten, für das einzustehen, an das wir glauben, eine offene Debatte zu führen und solche Ansichten auf diesem Wege zu besiegen.“ Die Grenze sei der Redefreiheit da nur erreicht, wo zu Gewalt aufgerufen werde, aber dies habe Trump nicht getan.

Es ist eine Weltsicht, der auch der britische Premier Cameron zuneigt. In ihrer Antwort auf die Petition betonte die Regierung, die Einreise ins Vereinigte Königreich sei ein Privileg und Innenministerin May werde es denjenigen entziehen, „die unserer Gesellschaft schaden wollen und unsere Grundwerte nicht teilen. Dieses Recht werde aber „nicht leichthin“ ausgeübt, sondern auf Grundlage von Beweisen. Dahinter dürfte auch die Einsicht stehen, dass ein Bann von Trump vor allem einem nützen würde: Trump selbst.

Ein Verbot der Einreise würde dem Populisten „den Heiligenschein des Märtyrers geben“, warnte auch der weißhaarige Labour-Abgeordnete Paul Flynn, der die Diskussion leitete. Sein Parteivorsitzender, der neue Labour-Chef Jeremy Corbyn, hatte darum schon vor der Debatte einen anderen Vorschlag gemacht, den Trump allerdings als neue Provokation verstehen könnte. Corbyn sprach kein Einreiseverbot, sondern eine Einladung für Trump zu einem gemeinsamen Besuch in seinen Wahlkreis im Londoner Stadtteil Nord-Islington aus – allerdings in die dort gelegene Moschee.

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