Wenn Wahlen sind in Russland, bleibt nichts dem Zufall überlassen. Also sendet die Personalchefin eines großen Moskauer Baukonzerns eine Rundmail an alle Mitarbeiter. Sie mögen doch bitte ihre „patriotische Pflicht“ erfüllen und am Sonntag zur Duma-Wahl gehen.
Mehr noch: Die Angestellten sollen bei der Stimmabgabe ein Selfie machen und an ihre Vorgesetzten schicken. Unter allen Wählern, so heißt es, würden Kinogutscheine verlost. Neben so viel Zuckerbrot droht aber auch die Peitsche. Wer nicht wählen gehe, so ist aus dem Konzern zu vernehmen, könne bei anstehenden Bonuszahlungen leer ausgehen.
Der doppelte Druck hat Methode: Kreml-Strategen plagt die Sorge, dass es bei den Unterhaus-Wahlen zu einer peinlich niedrigen Wahlbeteiligung kommen könnte. Also treiben vor allem staatliche Arbeitgeber ihre Mitarbeiter an die Urnen, oft mit konkreten Wahlempfehlungen für „Einiges Russland“, die Partei von Präsident Wladimir Putin.
Deutsch-russischer Handel: Export- und Importvolumina
deutsche Exporte nach Russland: 38,1 Milliarden Euro
deutsche Importe aus Russland: 42,8 Milliarden Euro
Quelle: Stat. Bundesamt; Prognose: Ost-Ausschuss
deutsche Exporte nach Russland: 35,8 Milliarden Euro (- 6,0 Prozent)
deutsche Importe aus Russland: 41,2 Milliarden Euro (- 3,7 Prozent)
deutsche Exporte nach Russland: 29,2 Milliarden Euro (- 18,4 Prozent)
deutsche Importe aus Russland: 38,3 Milliarden Euro (- 7,0 Prozent)
deutsche Exporte nach Russland: 21,8 Milliarden Euro (- 25,3 Prozent)
deutsche Importe aus Russland: 29,8 Milliarden Euro (- 22,2 Prozent)
deutsche Exporte nach Russland: 20,5 Milliarden Euro (- 6,0 Prozent)
deutsche Importe aus Russland: 26,0 Milliarden Euro (- 12,8 Prozent)
So ein Vorgehen erscheint ihnen offenbar sicherer als klassische Wahlwerbung. Die ist in den Tagen vor dem Urnengang nirgendwo in Moskaus Straßen zu sehen, stattdessen flattern dort russische Trikoloren zu Ehren des Stadtgeburtstages.
Auch auf mangelnde Konkurrenz haben die PR-Leute des Kreml geachtet. Zwar stehen Kommunisten, Sozialliberale oder (nationalistische) Liberaldemokraten auf dem Wahlzettel, aber: Im Zweifel stimmen sie alle für Putin. Die Jabloko-Bewegung ist als Oppositionspartei zugelassen, doch nur, weil ihr lediglich Splitterergebnisse winken.
Ziemlich sicher wird die Parlamentswahl also zu einem Triumphzug für Putin. Das liegt an besagten Tricks. Aber seit der Krim-Annexion schwebt der Präsident auch auf der Höhe seiner Popularität – und das nicht zuletzt wegen der westlichen Sanktionen, die die Russen zusammenrücken lassen.
Deutsch-russischer Handel: Die wichtigsten Warengruppen
Deutscher Import:
Chemische Erzeugnisse: 374,7 Millionen Euro
Deutscher Export:
Elektrische Ausrüstungen: 640,1 Millionen Euro
Quelle: Ost-Ausschuss 9/2016, bezogen auf 1. Halbjahr 2016
Deutscher Import:
Kohle: 531,8 Millionen Euro
Deutscher Export:
Pharmazeutische und ähnliche Erzeugnisse: 679,3
Deutscher Import:
Metalle: 1446,6 Millionen Euro
Deutscher Export:
Chemische Erzeugnisse: 1231,8 Millionen Euro
Deutscher Import:
Kokerei- und Mineralölerzeugnisse: 1819,4 Millionen Euro
Deutscher Export:
Kraftwagen und -teile: 1734,3 Millionen Euro
Deutscher Import:
Erdöl und –Gas: 7200,5 Millionen Euro
Deutscher Export:
Maschinen: 2279,9 Millionen Euro
Rund um die Parlamentswahlen vor fünf Jahren gingen noch Zehntausende Russen aus Frust über Reformstau und Vetternwirtschaft auf die Straße. Heute dreht sich am Demonstrationsort in der Nähe des Kreml ein Kinderkarussell im Wind. Dabei geht es den Bürgern heute schlechter.
Die Realeinkommen sind binnen drei Jahren um mehr als ein Fünftel gesunken, die Wirtschaft schrumpft. Mittelschichtsangehörige aus den Städten, das bürgerliche Rückgrat der Proteste vor fünf Jahren, können sich einen Auslandsurlaub wegen des schwachen Rubel kaum noch leisten.
Gerate der Lebensstandard der Russen in Gefahr, so lautete das Kalkül hinter den Sanktionen des Westens, wendeten diese sich gegen Putin. Wahr ist das Gegenteil, sagt der Politologe Dmitrij Trenin von der Denkfabrik Carnegie in Moskau. Die Bürger litten zwar unter höheren Preisen, doch hielten sie Putin zugute, die Armut der Jelzin-Jahre beseitigt zu haben – und machen den Westen statt ihn für die aktuelle Misere verantwortlich. Das liege auch an einem neuen Nationalgefühl, so Trenin: „Viele Russen sind stolz, dass sie dank Putins Außenpolitik in der Welt wieder aufrecht gehen.“