Historiker Clark zum Brexit „Wir müssen uns der EU verpflichten“

„Die Schlafwandler“ machte Christopher Clark bekannt. Nun hält der Historiker in Deutschland ein Plädoyer für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union – und kritisiert die Entwicklung der Medien.

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Der Historiker warnt vor einem möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU. Quelle: dpa

Köln Der australisch-britische Historiker Christopher Clark hofft auf einen Verbleib Großbritanniens in der EU. „Wir müssen uns, komme was wolle, der EU verpflichten“, sagte Clark am Dienstagabend bei der Eröffnung des Philosophiefestivals Phil.Cologne in Köln.

Er glaube nicht, dass Europa angezählt sei, sagte der Autor des Bestsellers „Die Schlafwandler“, einer Studie über das Hineinschlittern der europäischen Großmächte in den Ersten Weltkrieg. „Es gibt Probleme, die nur über die EU gelöst werden können. Ich sehe da keine Alternative. Nur die EU kann ebenbürtig mit Google verhandeln.“ Die britische Regierung allein könne das nicht. „Deswegen müssen wir hoffen, dass Großbritannien nicht austritt aus der Europäischen Union“, sagte Clark. Die Briten stimmen am 23. Juni über den Brexit ab.

Leider führe die überwiegend rechte britische Presse einen Propagandakrieg für den Austritt. In dieser Atmosphäre bringe die „Times“ Überschriften wie „EU schickt Killer nach England“. Eine solche Berichterstattung sei gekennzeichnet von einer „absoluten Indifferenz gegenüber der Faktizität der Aussagen“, kritisierte der Professor aus Cambridge.

Differenzierte und faktengestützte Betrachtungen hätten es im Internetzeitalter zunehmend schwer. „Man merkt in Deutschland wie in anderen entwickelten Ländern den sprachlichen Enthemmungseffekt.“ Viele Menschen suchten sich im Internet ihre persönliche Wahrheit zusammen und lebten zunehmend in ihrer eigenen Wirklichkeit.

Auch die AfD bastele sich ihre eigene „parallele Wirklichkeit“ zusammen und appelliere an das Bauchgefühl der Wähler. Leider gelinge es traditionellen Medien kaum noch, ein Gegengewicht dazu herzustellen, weil sie selbst keinen Informationsmarkt mehr bedienten, sondern einen Aufmerksamkeitsmarkt, sagte Clark.

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