Iran „Trump spielt den iranischen Hardlinern in die Hände“

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Also sind Sie in Ihrer Bewertung des Abkommens zwiegespalten?
Das Problem ist: Europa und Deutschland haben es in den vergangenen Jahren versäumt, ihr wirtschaftliches, diplomatisches und politisches Gewicht einzusetzen, um iranische Kurskorrekturen in der Innen- und Regionalpolitik zu erwirken. Das ist fatal. Auch deswegen hat die Politik des Wandels durch Handel und Annäherung nicht zum Erfolg geführt. Das müssen wir ganz nüchtern festhalten. Das bedeutet aber nicht, dass die Ziele dieser Politik nicht nobel seien. Hätte Europa die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen mit Iran stärker an politische Kurskorrekturen geknüpft, hätte diese Politik Schritt für Schritt zum Erfolg gelangen können. Hätte Europa früh genug nach Abschluss des Atomdeals solche politische Konditionalitäten geltend gemacht, so hätte man vielleicht sogar den nunmehr eingetretenen Showdown mit Trumps „hartem Exit“ aus dem Atomabkommen verhindern können. Wie dem auch sei, Trumps Rückzug ist vollkommen destruktiv und falsch.

Das Geld, was Iran durch den Handel mit der Welt eingenommen hat, finanziert die außenpolitischen Aggressionen Irans, argumentiert Donald Trump.
Mit den weggefallenen Wirtschaftssanktionen sind 100 bis 150 Milliarden von Dollar nach Iran zurückgeflossen – wohlgemerkt eingefrorere Gelder Irans. Das Geld floss nicht zuletzt in die Taschen der Herrschenden und diente auch der Finanzierung der iranischen Regionalpolitik. Im Schatten des Atomdeals ist die iranische Außenpolitik aggressiver geworden, das ist nicht zu bestreiten. Aber der Atomdeal berührt die Außenpolitik Irans nicht, Iran hat nicht gegen das Abkommen verstoßen. Hinzu kommt: Trumps Rückzug aus dem Atomabkommen kommt zum historisch ungünstigsten Zeitpunkt. 

Inwiefern?
Die Bevölkerung Irans ist zutiefst frustriert, das hat sich in der Rebellion zu Beginn des Jahres entladen. Trotz der fehlenden medialen Berichterstattung laufen diese Proteste bis heute weiter. Das Regime in Iran taumelt. Die Proteste sind beispielslos, sie richten sich gegen alle Fraktionen der Islamischen Republik – von der Regierung Rohani bis zu den Revolutionsgarden. Die Belebung des Handels mit Iran hat die sozioökonomische Situation der Iraner nicht verbessert, sehen wir von einer kleinen Elite einmal ab. Das ist seit Jahren zu beobachten. Präsident Rohani hat zudem die Bürgerrechte nicht ausgeweitet, was er ebenfalls versprochen hatte.   

Zur Person

Das Kalkül von Trumps Beratern könnte sein, dass die Wiedereinführung der Sanktionen die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung so sehr verschlechtert, dass sie das Regime endgültig stürzt.
Dasselbe Kalkül herrschte zu Zeiten von George W. Bush und Dick Cheney. Die Sanktionen sollten die Bevölkerung wirtschaftlich so unter Druck setzen, dass sie aus der Not heraus das Regime stürzen. Bereits damals hat die Strategie das Gegenteil bewirkt: Im Zuge der lähmenden Sanktionen konnte der autoritäre Staat seine Machtposition stärken. 

Und wie sieht es heute aus?
Trump spielt mit seiner Politik den iranischen Hardlinern in die Hände und schwächt die Zivilbevölkerung. Durch die Sanktionen profitieren vor allem die Revolutionsgarden und die religiösen Stiftungen, wenn der legale Handel mit der Welt kriminalisiert wird. Die Revolutionsgarden besitzen die Infrastruktur, um die illegalen Importe zu monopolisieren – das stärkt ihre wirtschaftliche Position immens. Das Regime externalisiert sämtliche Kosten der Sanktionen auf ihre Bevölkerung. Hinzu kommt, dass jedweder politischer Aktivismus in Iran gegen das Regime fortan diskreditiert werden kann als Unterstützung der US-Agenda.

Glauben Sie, dass das Regime wieder zur Bombe greift, sollte das Atomabkommen endgültig platzen?
Sollte Iran in den nächsten Monaten sein Atomprogramm wieder hochfahren wollen, würde das einige Zeit dauern. Es bleibt abzuwarten, was die Verhandlungen mit China, Russland und der EU bringen. Sollte es zum Kollaps kommen, dürfte ein Rüstungswettlauf zwischen Iran, Saudi-Arabien und anderen Staaten in der Region in Gang gesetzt werden. Auch andere Staaten würden dann versuchen, sich atomar auszurüsten. Das wäre fatal für die Sicherheitslage der Region.  

Trumps perfides Kalkül gegen den Iran

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