Kongresswahlen in den USA „Zur Wahl steht Trumps Schicksal“

Donald Trump Quelle: dpa

Kurz vor den wichtigen Kongresswahlen in den USA ist die Nation gespalten. Auch, weil die Wähler nicht über Parteien, sondern über ihren Präsidenten abstimmen. Vier Szenarien und Folgen möglicher Wahlausgänge.

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Einen passenderen Ort hätte sich Michael McKeon kaum aussuchen können: das neue Trump-Hotel im alten Post-Tower, mitten in der Washingtoner Innenstadt. Der Teppich schwer, die Lobby riesig, Stimmengewirr, Koffergeklapper, Gläserklingen. Hier will McKeon über den Präsidenten sprechen – und über das, was die Nation nach den Kongresswahlen in der kommenden Woche erwartet.

McKeon ist Forscher bei der Bertelsmann-Stiftung Nordamerika. Ein sympathischer Mann Ende 30, der sich nachmittags um Drei an der Trump-Hotelbar auch mal ein Bier bestellt. So lässt es sich besser plaudern. McKeon kommt gerade von einer Konferenz im Vereinigten Königreich. Dort haben sie den internationalen Handelskonflikt nachgespielt. McKeon war Trumps Handelsbeauftragter Robert Lighthizer, den europäischen Counterpart übernahm ein Freund von ihm. Einigen konnten sie sich dennoch nicht. „Solange die USA Zölle auf Aluminium und Stahl erheben, kann es keine Einigung geben“, sagt er.

Damit ist McKeon mitten im Thema. Für ihn ist klar: was immer bei den Kongresswahlen am 6. November herauskommt, bei denen das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt werden: Handel wird das außenpolitische Thema der kommenden Jahre bleiben. „Trump wird versuchen, mit Europa eine Koalition gegen China zu schmieden“, sagt er. „Das treibt ihn um.“

Nur leider interessiere das Thema die Wähler bislang kaum. Nur zwölf Prozent halten Wirtschaft und Handel für ein aktuell drängendes Problem. Innenpolitisch gibt es wichtigere Themen: Gesundheitspolitik, Einwanderungsreform, ein großes Infrastrukturpaket. Und natürlich: Donald Trump. Der furiose Präsident, der die Welt per Twitter in Atem hält und sein Land so womöglich tiefer spaltet als alle seine Vorgänger.

Er ist für viele Amerikaner ein Grund, bei diesen sogenannten „Midterm-Elections“ abzustimmen. „Diese Wahl ist eine Wahl über den Präsidenten“, schreibt McKeon in einer Analyse für die Bertelsmann-Stiftung, die der WirtschaftsWoche vorliegt. Am 6. November werde eine Rekordzahl an Menschen an die Urne gehen. „Sie werden damit nicht nur über den 116. Kongress der USA bestimmen – sondern auch über das Schicksal von Trumps Präsidentschaft.“ Vier Szenarien hält der Forscher für möglich:

1) Die Republikaner behalten die Mehrheit in Kongress und Senat

In diesem Fall rechnet McKeon damit, dass Trumps Partei ihren Kurs fortsetzt und versucht, Programme der Obama-Regierung zurückzudrehen. Vor allem die Gesundheitsreformen Medicaid und Medicare, also die staatlich geförderte Krankenversicherung für sozial Schwache, dürften zur Disposition stehen. Aber auch Themen wie Sozialversicherung und Obamacare, die erste garantierte Krankenversicherung für alle Amerikaner. Der Mehrheitsführer der Partei im Senat, Mich McConnell, bezeichnete die Abschaffung dieser Ansprüche kürzlich als die Top-Priorität – seien sie doch verantwortlich für das immer größer werdende Haushaltsloch des Bundes und die Überschuldung der Staaten. „Wenn die Republikaner am 6. November erfolgreich sind, geraten diese Programme mit Sicherheit unter Beschuss“, schreibt McKeon.

Viele unangenehme Fragen für Trump

2) Die Republikaner verlieren den Senat, behalten aber den Kongress

Auch wenn dieses Szenario unwahrscheinlich ist, weil nur wenige Senatorensitze zur Wahl stehen, die derzeit von Republikanern gehalten werden – es könnte eine Rolle rückwärts in der US-Politik bedeuten. Schließlich hätte die demokratische Mehrheit im Senat die Chance, Trumps Personalauswahl deutlich zu erschweren. Ob bislang unbesetzte Positionen in Behörden wir der Umweltagentur EPA und dem Auswärtigen Dienst, oder Richterstellen an den regionalen Gerichten: „Trump-Kandidaten würden einer strikteren Überprüfung unterzogen“, so McKeon. „Ebenso der Präsident selbst.“

Die Einmischung Russlands in die letzte Präsidentschaftswahl würde dann noch einmal genau untersucht, ebenso die mannigfaltigen Beziehungen zwischen Präsident Trump, seiner Familie und seinen Geschäften. Auch wenn es am Ende kaum zu einem Amtsenthebungsverfahren kommen dürfte, bedeutete dieses Szenario viele unangenehme Fragen für Trump.



3) Die Demokraten gewinnen den Kongress, aber nicht den Senat

Viele Beobachter halten diese Prognose für die wahrscheinlichste. Und auch sie wäre unbequem für Trump. Denn auch mit einer Mehrheit im Kongress dürften die Demokraten es dem Präsidenten bei Anhörungen schwerer machen. Außerdem wird erwartet, dass der Kongress eine Untersuchung der Trumpschen Finanzbeziehungen zu Saudi-Arabien und Russland angeht. Und auch die Steuererklärung des Präsidenten, die er bislang unter Verschluss hält, würden viele führende Demokraten gerne einmal sehen. Ein Amtsenthebungsverfahren hält McKeon allerdings auch in diesem Fall für unrealistisch. „Das würden die Demokraten nur anstrengen, wenn es definitive Beweise für illegale Aktivitäten gibt“, schreibt er. Er hält es für realistischer, dass die Partei die Ergebnisse des FBI-Sonderermittlers Robert Muller abwartet, eine Kongressanhörung gegen den Präsidenten und seine Partei anstrengt, eine öffentliche Kampagne inszeniert – und bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2020 dann die Wähler entscheiden lässt.

4) Die Demokraten gewinnen den Kongress und den Senat

Auch dieser Fall ist eher unwahrscheinlich. Dennoch hätte er, laut McKeon, wohl die größten Folgen für die Wirtschaft. Schließlich dürften die Demokraten sich, sollten sie beide Kammern kontrollieren, der Realpolitik widmen und das lange versprochene Infrastrukturpaket vorantreiben. Ein Thema, bei dem sie sich mit Präsident Trump ausnahmsweise einig sind. In der Umweltpolitik oder den Waffengesetzten erwartet der Forscher indes keine großen Vorhaben. Schließlich könnte Trump jedes Gesetz per Veto verhindern. „Eine Ausnahme dürfte die Einwanderungsreform werden“, schreibt McKeon. Hier dürften die Demokraten den sogenannten Dreamers – illegal ins Land gekommene Kinder, die nun in den USA leben – einen legalen Aufenthaltstitel verschaffen wollen. Hunderttausende von ihnen leben derzeit illegal in den USA, sind aber überlebenswichtig für die Wirtschaft dort. Und außerdem potenzielle demokratische Wähler in der Zukunft. McKeon geht daher von einem Tauschgeschäft aus: die Demokraten kommen dem Präsidenten bei seiner so innig gewünschten Mauer zu Mexiko entgegen. Dafür gibt Trump ihnen das so lange geforderte Einwanderungsgesetz.



Welches dieser Szenarien auch immer eintritt: in der kommenden Woche dürfte sich das Machtgefüge in Washington verschieben, „mit Auswirkungen, weit über die USA hinaus – und womöglich für die nächsten zwei Jahrzehnte“, schreibt der Bertelsmann-Forscher. Auch wenn die Amerikaner am 6. November offiziell nicht über den Präsidenten abstimmten, sei „diese Wahl in vielen Belangen ein Votum über Donald Trump und seine Regierung“.

Das sehen die Amerikaner übrigens genauso: Mehr Wähler als jemals zuvor haben sich für die Kongresswahl registriert.

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