Konjunktur Wie hart trifft uns der Abschwung?

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Globalisierungsgewinner Deutschland

Gestärkt in den Abschwung. Auch wenn das nicht gerade rosige Aussichten sind, hat die deutsche Wirtschaft im Vergleich mit ihren Konkurrenten in Europa ganz gute Chancen auf eine halbwegs weiche Landung. Das hat mehrere Gründe:

- Anders als in den meisten europäischen Ländern und den USA hat es in Deutschland in den vergangenen Jahren keine Preisblase am Immobilienmarkt gegeben, die platzen könnte.

- Unternehmen und private Haushalte haben ihre Verschuldung deutlich zurückgefahren. So sank die Verschuldung der privaten Haushalte von 2000 bis 2007 von 73 auf 63 Prozent des BIPs. Die Außenstände der Unternehmen gingen von 68,3 Prozent des BIPs Anfang 2003 auf 62,5 Prozent Ende 2007 zurück. Steigende Zinsen machen den Unternehmen und privaten Haushalten daher weniger aus als ihren hoch verschuldeten Nachbarn in Europa.

- Die Unternehmen haben in den vergangenen Jahren einen harten Restrukturierungskurs gefahren, sich auf ihre Kernkompetenzen konzentriert und die Kosten gesenkt. Die mehrjährige Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften hat zudem geholfen, die Lohnstückkosten in Schach zu halten. Daher haben die deutschen Unternehmen weniger Probleme mit dem starken Euro als ihre Konkurrenten aus Spanien, Italien und Frankreich, wo die Lohnstückkosten kräftig gestiegen sind.

Deutschland profitiert vom Recycling

- Nicht alle Branchen sind vom Abschwung gleichermaßen erfasst. So liegen in der deutschen Elektroindustrie die Auftragseingänge in den ersten fünf Monaten um sieben Prozent über dem Vorjahresniveau. Exporte nach China und Indien machten die nachlassenden Ausfuhren in die USA und nach Europa teilweise wett. „Eine Krise wie zu Beginn des Jahrzehnts sehe ich nicht“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung des Branchenverbands ZVEI, Klaus Mittelbach.

- Deutschlands Exportunternehmen profitieren überdurchschnittlich vom Recycling der Petrodollar, da sie mit ihrer Spezialisierung auf Investitionsgüter exakt die Waren anbieten, die in den Ölförderländern gefragt sind. So konnten sie ihre Exporte in die Opec-Länder im ersten Quartal 2008 um elf Prozent gegenüber Vorjahr steigern.

- Durch die Reformen der Agenda 2010 haben die Unternehmen mehr Flexibilität beim Einsatz der Arbeitskräfte. Vor allem die Liberalisierung der Zeitarbeit hat sich positiv auf die Beschäftigung ausgewirkt.

Die Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen wird den Abschwung zwar nicht aufhalten, aber dämpfen. Zudem spricht einiges dafür, dass Deutschland den Abwärtstrend schneller überwinden kann. „Der Abschwung kommt – aber er bleibt relativ kurz“, sagt ein schwäbischer Maschinenbauer und warnt seine Kollegen vor Kurzschlussreaktionen. Man müsse sich jetzt bereits strategisch für die Zeit danach vorbereiten und dürfe nicht bei Forschungs- oder auch Marketinginvestitionen sparen.

Tatsächlich: Im Bremserhäuschen des europäischen Konjunkturzugs sitzen diesmal andere Länder. Doch ob Deutschlands Kraft ausreichen wird, die Schwächen andere Länder auszugleichen, ist fraglich.

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