Krieg in Osteuropa 10 Mythen über Putin und die Ukraine

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Klare Verletzung des Völkerrechts

4. Russland hat die Krim nicht annektiert, sondern per Referendum „heimgeholt“

Ein „Anschluss“ der Krim an Russland hätte auch im Einklang mit dem Völkerrecht erfolgen können: Indem man mit mehrmonatigem Vorlauf ein Referendum organisiert, das die Ukraine unterstützt und die OSZE als neutrale Organisation überwacht. Vermutlich hätten die Krim-Bewohner im Sinne des Kremls gestimmt – allein schon, weil die Renten in Russland höher sind als in der Ukraine. Die Besetzung der Krim mit „grünen Männchen“ ist juristisch eine klare Verletzung des Völkerrechts: Die Souveränität der Territorien fremder Staaten ist unantastbar und in russisch-ukrainischen Verträgen eindeutig festgeschrieben. Ihr Bruch signalisiert der Welt, dass sich Russland im Zweifel an eigene Verträge nicht hält – und dies ist auch für die Wirtschaft keine gute Botschaft. Über den Kosovo-Konflikt kann man derweil streiten, aber die „Causa Krim“ relativiert dies nicht, schließlich ist dort nie ein Schuss gefallen, der eine Intervention aus „humanitären Gründen“ hätte rechtfertigen können.

Militäreinsatz gegen Separatisten gestartet
Ukrainische Soldaten stehen mit unsicher-angespanntem Gesichtsausdruck zwischen Panzern, auf denen die ukrainische Flagge weht. Erstmals hat die Ukraine auf den prorussischen Aufstand im Osten des Landes mit einer Militäraktion reagiert. Quelle: AP
Die pro-russischen Separatisten lassen sich derweil nicht beeindrucken. Sie bauen weiter Barrikaden und verteidigen diese mit teils selbst gebastelten Waffen, so wie hier in der Stadt Kramatorsk. Quelle: AP
Südlich von Kramatorsk sollen am Dienstag ukrainische Spezialkräfte an einem Flughafen rund 30 bewaffnete Männer zurückgedrängt haben, sagte General Vasyl Krutow. Quelle: AP
Separatisten greifen ukrainisches Sicherheitspersonal am Flughafen von Kramatorsk an. Über den genauen Hergang der Gefechte gab es widersprüchliche Angaben. Quelle: AP
Laut der ukrainischen Regierung gab es keine Opfer, russische Medien berichteten jedoch von vier bis elf Toten am Flughafen. Ein Sprecher einer prorussischen Verteidigungsgruppe, Juri Schadobin, sprach von zwei Leichtverletzten, die in eine Klinik gebracht worden seien. Laut der Regierung in Kiew wurde eine nicht näher genannte Zahl von Milizionären gefangen genommen. Quelle: AP
Moskau verurteilte das ukrainische Vorgehen. Es sei „kriminell, mit den eigenen Landsleuten zu kämpfen, während sie für legale Rechte aufstehen“, erklärte das Außenministerium in Moskau. Ressortchef Sergej Lawrow hatte Kiew zuvor vor dem Einsatz von Gewalt gegen die prorussischen Demonstranten gewarnt. Man könne nicht Panzer schicken und zur selben Zeit Gespräche führen, sagte er mit Blick auf die für Donnerstag in Genf geplanten Verhandlungen mit den USA, der Europäischen Union und der Ukraine über die Krise. Quelle: AP
Einige Truppen haben laut Berichten von Reportern vor Ort mittlerweile die Seiten gewechselt. Sie sollen samt Panzern zu den pro-russischen Milizionären übergelaufen sein. Quelle: AP

5. Eigentlich gehörte die Ukraine ja immer schon zu Russland

Gottseidank kam in Deutschland lange keiner mehr auf die Idee, an einen Zusammenschluss mit Österreich auch nur zu denken – obwohl man im Nachbarland dieselbe Sprache spricht. In Russland sind ähnliche Gedanken aber gerade sehr „en vogue“: In der politischen Debatte wird die Ukraine als „Neurussland“ bezeichnet und somit direkt zum Eroberungsziel erklärt. Für die Nachbarn ist das brandgefährlich! Dabei dürfte die Zahl jener, die den Anschluss an Russland wünschen, selbst in der Ost-Ukraine überschaubar sein: Wer dort Arbeit hat, weiß sehr die Vorzüge einer souveränen Ukraine zu schätzen. Die dortigen Industriebetriebe würden im Konkurrenzkampf mit besser aufgestellten russischen untergehen, eine „Volksrepublik Donezk“ wäre ohnehin nicht überlebensfähig. Die Begeisterung, von Russland erobert zu werden, hält sich selbst in den Gegenden um Donezk und Lugansk in Grenzen – in Städten wie Charkow und Odessa ist sie erst Recht nicht zu spüren.

6. In der Ukraine herrschen Faschisten, die auch die illegale Regierung stellen

Zwar sitzen im ukrainischen Kabinett drei Minister, die der rechten Partei „Swoboda“ angehören – aber auf unbedeutenden Posten, die Männer haben nichts zu sagen. Premier Arsenij Jazenjuk führt seine Übergangsregierung auf einem eher wirtschaftsliberalen Kurs durch eine schwere Finanzkrise, für die Neuwahlen im Oktober rechnet er sich Chancen aus. Präsident Petro Poroschenko ist Unternehmer und steht keinen extremen Kräften nahe; bei den Präsidentschaftswahlen im Mai holten die Rechts-Parteien zusammen weit weniger als fünf Prozent der Stimmen. In Kiew herrschen keine Faschisten – und die Ukrainer wählen bislang lieber Mitte als das rechte Spektrum. Militante rechte Gruppen haben aber die Maidan-Bewegung mitgetragen und fordern jetzt Mitsprache in der Politik. Doch den moderaten Politikern gelingt es, sie klein zu halten.

Die Sanktionen der EU und USA gegen Russland

7. Die Kiewer Maidan-Bewegung kam nur zustande, weil sie der Westen finanzierte

Politische Stiftungen des Westens fördern zivilgesellschaftliche Projekte. Na und? Das ist in vielen Ländern der Welt so, es geht in erster Linie um Völkeraustausch. Aber gegen Geld haben sich in den Wintertagen keine Zehntausende in Kiew auf den Maidan verirrt – es wäre logistisch gar nicht zu stemmen gewesen, jedem Teilnehmer zehn Dollar in die Hand zu drücken. In Kiew ist vielmehr passiert, was in Autokratien um Himmels willen nicht passieren darf: Ein Volk hat seinem Willen kundgetan und gegen ein Willkür-Regime protestiert. Am Ende wurde sie gestürzt. Das passiert.

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