Krise am Persischen Golf Kühe für Katar

Not macht erfinderisch: Um die Versorgung mit Frischmilch zu sichern, lässt ein katarischer Geschäftsmann 4000 Kühe einfliegen. Im Konflikt mit seinen großen Nachbarn hat das kleine Katar aber noch einen Trumpf im Ärmel.

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Im Konflikt mit seinen Nachbarn kann das kleine Golfemirat Katar die Erdgas-Karte spielen. Quelle: AP

Dubai Der Konflikt zwischen Katar und seinen arabischen Nachbarn – allen voran Saudi-Arabien – unterbricht den Handel, trennt Familien und droht die geopolitischen Beziehungen nachhaltig zu beschädigen. Und er bringt einen katarischen Geschäftsmann dazu, 4000 Kühe an den Golf zu fliegen. Hintergrund ist ein Akt des Widerstands – und der Wunsch, nicht auf Frischmilch verzichten zu müssen. Gekauft hat Moutaz Al Khayyat, Vorsitzender der Power International Holding, die Kühe in Australien und in den USA. In 60 Flügen soll Qatar Airways die Tiere, die knapp 600 Kilogramm wiegen, nun ins Land bringen.

Die meisten der frischen Milch- und Milchprodukte für die mehr als eine Million Einwohner Dohas kamen bis vor einer Woche aus Saudi-Arabien. Nun droht die Milch in dem Königreich knapp zu werden, denn die arabischen Nachbarn haben ihre Verbindungen nach Katar gekappt. Sie werfen dem Emirat vor, Terroristen zu finanzieren und ein zu enges Verhältnis zum Iran zu pflegen, der ihnen ebenfalls als Geldgeber von Extremisten in der Region gilt. Die Regierung in Doha weist die Vorwürfe zurück.

Die Isolation zwingt den Wüstenstaat, neue Handelswege zu öffnen. Am Montag veröffentlichte die Hafenbehörde ein Video, das einen Frachter aus dem omanischen Sohar bei der Ankunft in Doha zeigt. Normalerweise wickelt Katar seinen Handel über den Tiefwasserhafen Dschebel Ali in den Vereinigten Arabischen Emiraten ab. Diese haben vergangene Woche aber ebenso wie Saudi-Arabien, Ägypten und Bahrain den Schiffsverkehr mit Katar eingestellt. Über die neuen Wege kommen derzeit Nahrung, Baustoffe und Ausrüstung für seine Erdgasindustrie nach Katar.

Vor allem den Importen im Erdgassektor sind für das Emirat von Bedeutung. Denn mit seinen reichen Erdgasvorkommen ist das Feld im Persischen Golf eine entscheidende Karte, die das kleine Emirat bei den derzeit wachsenden Spannungen in der Region ausspielen kann. Von den Exporten sind nicht nur Länder im Fernen Osten oder Europäer abhängig, sondern ausgerechnet auch die benachbarten Vereinigten Arabischen Emirate oder Ägypten.

Mit der weitgehenden Isolierung soll dem 2,2-Millionen-Einwohner kleinen Land klargemacht werden, dass seine politische Richtung mehr als missfällt. „Sie haben sich wirklich angestrengt, aus dem Schatten Saudi-Arabiens zu treten und eine autonome Regional- und Außenpolitik zu schaffen, die sich davon unterscheidet“, sagt der Golf-Experte Kristian Coates Ulrichsen von der Rice University, der derzeit in Seattle forscht, über den Kurs Katars.

„2011 spitzte sich die Lage zu, als sie im Arabischen Frühling auf der anderen Seite standen“, erklärt Ulrichsen. „Katar setzte offenbar auf die Islamisten und die Muslimbrüder - und das zahlte sich mit der Zeit nicht aus.“ Inmitten des Zerwürfnisses habe Katar aber nun eine mögliche wirtschaftliche Waffe: das Erdgas.

„Wenn die katarischen Exporte blockiert wären, gäbe es Energiekrisen in Ländern wie Großbritannien, Japan, Südkorea und China“, sagt der Wissenschaftler. Sie könnten Katar Rückhalt geben. „Für jedes kleine Land, vor allem ein kleines Land am Golf, das von viel größeren und potenziell expandierenden Mächten umgeben ist, sind internationale Partnerschaften ein Schlüssel für die äußere Sicherheit“, erklärt er. „Ich denke, dass Katar derzeit darauf bauen könnte.“


Rund 10.000 US-Soldaten in Katar stationiert

Das North-Field-Vorkommen wurde 1971 entdeckt, im Jahr der Unabhängigkeit. Gemeinsam mit Russland und dem Iran beutet Katar das Erdgasfeld aus, ins Exportgeschäft stieg das Emirat 1997 ein. Unmittelbar zuvor hatte Kronprinz Hamad bin Chalifa al Thani seinem Vater die Macht entrissen und nutzte fortan die Einnahmen aus dem Gasverkauf, um einen diplomatischen Weg einzuschlagen, der wegführte vom Schwergewicht Saudi-Arabien. Mit dem großen Nachbarn verbindet Katar zwar die konservative Ausprägung des sunnitischen Islams, der Wahhabismus, doch das kleine Emirat lässt Frauen ans Steuer und erlaubt Ausländern, Alkohol zu trinken. Unstimmigkeiten gab es auch immer wieder in Territorialfragen.

Eine eigene Marke setzte Katar auch mit der Aufnahme des taktischen Hauptquartiers der US-Streitkräfte im Nahen Osten. Rund 10.000 amerikanische Soldaten sind dort stationiert. Andere Nationen nutzen Katar ebenfalls als Stützpunkt für ihre Truppen. Auch das ist ein Trumpf im Ärmel des Emirats.

Doch besonders als weltweit größter Exporteur von flüssigem Erdgas ist das reiche Katar gut vernetzt – und baut auch künftig auf die Einnahmen, die dem Land die Wolkenkratzer und die Jets finanzieren und die unter anderem auch für den Stadionbau bei der Fußballweltmeisterschaft 2022 eingeplant sind. In der aktuellen Krise weist das staatliche Ölunternehmen denn auch klar darauf hin, dass die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und Jordanien zu den Kunden gehören und vom katarischen Erdgas abhängig seien.

Er versichere „unsere entschlossenen Bemühungen, die Versorgung ungestört fortzusetzen“, erklärte Unternehmenspräsident Saad Scherida al-Kaabi am Wochenende an die internationale Kundschaft gerichtet. Bislang ist das gelungen, die Isolation in der Region hat sich noch nicht auf den Export durchgeschlagen oder die Märkte belastet.

Aber bislang hat Katar auch noch nicht auf den Affront der Nachbarn reagiert. Es könnte etwa die Dolphin-Energy-Pipeline stilllegen, die täglich rund 56 Millionen Kubikmeter Erdgas in die Vereinigten Arabischen Emirate transportiert, ein Drittel von deren Bedarf. Etwa ein Zehntel davon wird nach Oman weitergeleitet. Ohne das Erdgas könnten die Arabischen Emirate weder die Klimaanlagen in den großen Städten bedienen noch die Entsalzungsanlagen, die für ihr Wasser so wichtig sind.

„Wenn Katar so etwas machen würde, gingen wohl in Dubai die Lichter aus“, sagt Christopher Davidson von der englischen Durham University. „Das wäre solch eine Eskalation von katarischer Seite, dass die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien noch eins draufsetzen würden“, schätzt er. „Und wenn sie das tun würden, dann gingen sie, glaube ich, aufs Ganze.“

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