Mahnung an Deutschland Wenn Macron scheitert, könnte die EU scheitern

Der französische Präsident macht Abstriche an seinem Plan für die EU und kommt damit Deutschland entgegen.

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Wenn Emmanuel Macron scheitert, könnte die EU scheitern Quelle: dpa

Straßburg Emmanuel Macron wendet sich direkt an seinen wichtigsten politischen Partner: „Ich schlage Deutschland eine neue Partnerschaft vor“, sagte der französische Staatspräsident. „Wir werden nicht oder nicht sofort über alles einig sein, aber wir werden über alles diskutieren“. Das war im September 2017, als Macron seine erste große europapolitische Rede in der Pariser Universität Sorbonne hielt.

Nun hat Macron seine zweite große Ansprache zur Zukunft Europas gehalten - im Europaparlament in Straßburg. Dieses Mal nahm er das Wort Deutschland in 20 Minuten Redezeit kein einziges Mal in den Mund. Trotzdem enthielt seine Rede wichtige Botschaften an die Adresse der Regierung in Berlin.

Frankreichs Präsident hat Deutschland gewarnt – und zwar vor europapolitischer Untätigkeit. „Bloß nichts überstürzen, alles auf die lange Bank schieben – das wäre gleichbedeutend mit Lähmung“, sagte der Mann, der mit einem europapolitischen Integrationsprogramm in den Wahlkampf zog und gewann.

Damals verhinderte Macron, dass der zweitgrößte Staat der EU in die Hand der rechtsextremen Marine Le Pen fiel – und darüber war die Erleichterung insbesondere in Deutschland sehr groß. Doch dann musste Macron feststellen, dass seine europapolitischen Vorstellungen im Rest der EU auf wenig Gegenliebe stoßen.

Europa lässt den französischen Präsidenten auflaufen. Polen, Ungarn, Tschechien, Österreich, Großbritannien, Italien und die Niederlande erleben eine Renaissance der Nation. Deshalb ruhen die Hoffnungen Macrons vor allem auf Deutschland. Seine Mahnung dürfte sich vor allem an jene Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion richten, die jegliche Integrationsschritte in der Europäischen Währungsunion verhindern wollen.

Dass die Bundeskanzlerin Reformen der Euro-Zone gegen wachsende Widerstände in den eigenen Reihen durchsetzen muss, scheint Macron durchaus klar zu sein. Seine eigenen Ambitionen auf diesem Gebiet fuhr der Präsident deshalb bereits deutlich zurück. In Straßburg sprach er zwar noch von Fortschritten in der Bankenunion, die bis zur Europawahl im Mai 2019 erreicht werden müssten.

Doch konkreter wurde er dabei nicht. Die in Deutschland verhasste EU-Einlagensicherung blieb unerwähnt. Macron wiederholte zwar seine Forderung nach einer Fiskalkapazität für die Euro-Zone, die eine Art gemeinsamer Finanztopf sein soll. Doch auch hier nannte er keinerlei Details. Das eröffnet Spielraum für Kompromisse mit Deutschland.

Macron zeigte sich als Pragmatiker, der sich zwar grundsätzlich treu bleibt, den europäischen Partnern aber zugleich entgegenkommt. Zum einen bot er explizit an, den französischen Beitrag zum EU-Haushalt zu erhöhen. Das dürfte in den mittel- und osteuropäischen Staaten gut ankommen, die Kürzungen der milliardenschweren Strukturfonds aus dem Brüsseler Budget fürchten.

Zum anderen schlug Macron vor, die Versorgung von Flüchtlingen künftig mit EU-Haushaltsmitteln zu fördern. Das müsste Italien und Griechenland gut gefallen, und auch Deutschland. Die Kanzlerin hatte vor dem letzten EU-Gipfel gefordert, dass Regionen, die viele Migranten aufnehmen, mehr Geld aus den EU-Kohäsionsfonds bekommen sollen. Davon würden auch deutsche Bundesländer profitieren - und Macron hat diese Idee nun unterstützt.

Der französische Präsident hält an der europapolitischen Linie fest, die er bereits im Wahlkampf eingeschlagen hatte. Er vertritt sie aber inzwischen defensiver. Manche Idee, die er noch im Herbst in der Sorbonne vorgetragen hatte, ist inzwischen verschwunden. Das gilt für die europäische Armee ebenso wie für die EU-Innovationsagentur.

Macron ist in der Realität des Jahres 2018 angekommen. Er begreift, dass nicht alle europäischen Blütenträume durchsetzbar sind in einer Zeit, in der Nationalpopulisten Wahlerfolge feiern. Völlig ausbremsen will sich Frankreichs Präsident aber nicht lassen – zu Recht. Er ist der letzte, der die EU noch tatkräftig vorantreibt. Wenn Macron scheitert, könnte die EU scheitern.

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