Mohammed bin Salman Deutsche Unternehmer hoffen auf den saudischen Kronprinzen

Saudi-Arabien: Deutsche Firmen hoffen auf Mohammed bin Salman Quelle: REUTERS

Mohammed bin Salman, der mächtigste Mann Saudi-Arabiens, hat die Weltbühne erst vor kurzem betreten. Seither wird er wahlweise gefürchtet, bewundert oder respektiert. Für deutsche Unternehmen ist er ein Hoffnungsträger.

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In einem Punkt sind sich beim saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman dessen Freunde und Feinde, Bewunderer und Skeptiker einig: Der 32 Jahre alte De-Facto-Herrscher am Golf meint es ernst damit, das Königreich komplett umzukrempeln. Und weil ihm dieses Ziel inzwischen jeder abnimmt und viele es im Prinzip auch gutheißen, schlägt dem Königssohn schon allein deshalb deutlich mehr Respekt entgegen als noch vor zwei Jahren. Da war er noch Verteidigungsminister und wurde eher als gefährlicher Irrer gehandelt, der die Stabilität der ohnehin komplizierten Region weiter erschüttert.

In der eher bräsigen Herrscherriege des saudischen Königshauses hat sich der durch Fleiß und Zielstrebigkeit herausstechende Mohammed bin Salman („MbS“) innerhalb kurzer Zeit an die Spitze gesetzt und in einer Art arabischen Trumpismus schnell neue Fakten geschaffen. Er geht unkonventionelle Wege bei der Auswahl von Verbündeten, zu denen jetzt sogar Israel zählt. Kompromiss- und erbarmungslos ist er gegenüber „Feinden“, die er wie Trump auch klar so benennt. Der größte unter ihnen ist Erzfeind Iran, womit das seit mehr als einem Jahr verhängte Embargo gegen Katar, der Krieg im Jemen und die saudischen Aktivitäten auf den syrischen Schlachtfeldern zusammenhängen. Im eigenen Land hat bin Salman Dutzende Gegner aus Königshaus, Klerus und Zivilgesellschaft verhaften lassen.

Gleichzeitig gibt bin Salman den Staatsmann, verkündet weltöffentlichkeitswirksam gesellschaftliche und wirtschaftliche Reformen. So kündigte Mohammed bin Salman an, den islamischen Extremismus „ausmerzen“ zu wollen, verhängte Steuern auf Benzin und Strom und kippte - im Westen besonders beklatscht - das jahrzehntealte Fahrverbot für Frauen, die außerdem nun auch Fußballstadien besuchen dürfen. Und frei nach dem Motto „Ein neuer König braucht einen Krieg“ initiierte bin Salman im Frühjahr 2015 den verheerenden Krieg im Jemen.

Trotzdem ist das heute vorherrschende Bild des künftigen saudischen Königs bei aller Ambivalenz auch von unverhohlener Bewunderung geprägt. Das „Time“-Magazine etwa widmete ihm im Frühjahr eine Titelgeschichte und fragte: „Sollte die Welt kaufen, was der Kronprinz anbietet?“. – „Wenn es funktioniert, könnte bin Salmans vermeintliche Revolution eine der rückständigsten Autokratien der Welt von einem Öl- und Terror-Ideologie-Exporteur zu einer Kraft für globalen Fortschritt verwandeln“, beantwortet das Magazin die eigene Frage.

Auch die deutsche Wirtschaft setzt große Hoffnungen in den aufstrebenden Jung-Autokraten. „Mohammed bin Salman verkörpert die Aufbruchstimmung gerade der jungen Saudis. Und er verkörpert auch wirtschaftlichen Reformwillen“, sagt etwa Philipp Simon Andree, beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin zuständig für den Mittleren Osten. Als Kernmarkt in der Region gilt Saudi-Arabien für deutsche Unternehmen als der wichtigste, auch wenn das Handelsvolumen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten noch etwas größer ist.

Der deutsche Botschafter in Riad, Dieter Walter Haller, blickt äußerst optimistisch auf das Reformprogramm des Kronprinzen. Zwischen dem, was Haller öffentlich und in Hintergrundgesprächen über bin Salman sagt, liegen nicht, wie sonst häufiger bei Diplomaten üblich, rhetorische Welten. „Bin Salman vollzieht eine Kulturrevolution in Saudi-Arabien. Es ist unglaublich, was in so kurzer Zeit alles passiert ist“, sagte der Botschafter jüngst beim Arabisch-Deutschen Wirtschaftsforum in Berlin und fügte hinzu: „Er erlöst das Land vom Wahhabismus“ – also jener konservativen islamischen Lehre, der sich die saudischen Könige bislang verpflichtet sahen.

Saudis sollen die Jobs übernehmen - wollen aber oft gar nicht

Jahrzehntelang sind in Saudi-Arabien keine größeren Reformen umgesetzt worden. Der Ölreichtum ernährte eine Tausende Prinzen und deren Familien umfassende königliche Familie und eine satte Gesellschaft. Jegliche anstrengende Arbeit wurde von Gastarbeitern verrichtet, die rund ein Drittel der Bevölkerung bilden. Man lebte in Wohlstand und Isolation zugleich. Für die Reichen seit jeher kein Problem: Sie kauften sich Freiheit, Spaß und Luxusgüter im Urlaub am libanesischen Mittelmeer, in der Schweiz, in München, Paris oder London.

„Vision 2030“ hat Mohammed bin Salman seinen Entwicklungsplan für Saudi-Arabien genannt. Im Arabischen sind Vision und „Traum“ dasselbe Wort. Man kann also darin lesen, was man mag: Einen Masterplan, der durchgezogen wird. Einen Wunsch, wie es einmal sein könnte. Eine Fantasie, die wenig mit der Realität zu tun hat. Mohammed bin Salman, der Macher, hat bisher wenig Zweifel daran gelassen, dass er eher einen Masterplan umsetzt als Luftschlösser baut – trotz einiger Mega-Projekte, die Beobachter noch skeptisch betrachten und sagen: Na, mal sehen, ob das wirklich so umgesetzt wird. Die Rede ist etwa von der Reißbrett-Digitalstadt Neom, deren Manager bis vor kurzem der ehemalige Siemens-Chef Klaus Kleinfeld war.

Einer von denen, die Mohammed bin Salman zutrauen, dass er seine Pläne umsetzt, ist Joachim Schares. Der Geschäftsführende Gesellschafter im Architektenbüro Albert Speer + Partner in Frankfurt betreut Bauprojekte in der arabischen Welt, darunter auch in Saudi-Arabien. Schon der Namensgeber, Albert Speer Junior, war Architekt für repräsentative Gebäude im Königreich, etwa das Gericht in der Hauptstadt Riad. „Mohammed bin Salman arbeitet rund um die Uhr und kennt keine Pausen“, sagt Joachim Schares über den Kronprinzen. Er habe ihn einmal getroffen, der Termin sei nachts um viertel vor zwölf gewesen, der Kronprinz hellwach. „Und ich war nicht der letzte Termin für ihn“, fügt Schares hinzu.

Die Saudi Vision 2030 in Kürze

Deutlich weniger glänzend kommt bin Salmans Projekt der Diversifizierung und Saudifizierung der heimischen Wirtschaft an. Dabei stößt der als unermüdlich beschriebene Kronprinz auf ungeahnte Hindernisse. Zwar ist die Jugend des Landes in der deutlichen Mehrheit und dürstet nach mehr Freiheiten. Wenn Mohammed bin Salman dem „Time“-Magazine sagt: „Unsere Augen sind auf das gerichtet, was uns fehlt“, so spricht er den 70 Prozent der saudischen Bevölkerung wohl aus der Seele.

Ein wenig anders sieht die Sache aus, wenn der heimische Arbeitsmarkt verstärkt mit Einheimischen besetzt werden soll. Das bedeutet nämlich, dass Saudis dann auch einmal echte Arbeit verrichten müssen. Für viele der Verwöhnten im Land eine inakzeptable Zumutung. Der „Business Insider“ schrieb vorvergangene Woche, nun würden sich die einheimischen Firmen beschweren, weil bereits 800.000 ausländische Arbeiter wegen bin Salmans Saudifizierungsplänen das Land verlassen hätten – die Einheimischen sich nun aber als „faul“ erwiesen. Auch bei den Steuerplänen bekam der Kronprinz schon den Unmut der Bevölkerung zu spüren. Benzin wurde um 80 Prozent teurer, worüber der deutsche Autofahrer freilich nur spotten kann: Ausgangspreis war nämlich ein Betrag von rund 20 Cent pro Liter.

Die Unterstützung deutscher Unternehmen hat bin Salman indes sicher. Sie stehen bereits in den Startlöchern und hoffen, dass die seit Monaten andauernde diplomatische Krise bald überwunden ist. Bei aller Skepsis, ob die Pläne in allen Details umgesetzt werden, hoffen sie auf wichtige Aufträge bei den geplanten Mega-Projekten. Ausgerechnet den Deutschen Klaus Kleinfeld holte bin Salman diesen Monat ins Boot als Berater für die Projekte der Vision 2030. Die Unternehmer daheim dürfte die neue Position des alten Bekannten gefreut haben.

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