Panama Papers Korruption in Russland? Was soll´s!

Während die Panama Papers weltweit für Empörung sorgen, lässt die mögliche Steuerhinterziehung Moskau kalt. Denn in Russland gelten Offizielle standardmäßig als korrupt. Und doch findet der Kreml einen Sündenbock.

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Während russische oppositionelle Aktivisten mit Entrüstung auf die „Panama Papers“ reagierten, ließen die Berichte weitaus mehr Russen schlicht kalt. Quelle: dpa

Moskau Die Veröffentlichung der Panama Papers hat in vielen Ländern großen Wirbel ausgelöst. Behörden wollen Ermittlungen wegen möglicher Steuerhinterziehung einleiten. Die Liste der Politiker, Milliardäre und Prominenten ist lang, die laut den Enthüllungen angebliche Nutzer von Briefkastenfirmen einer Anwaltskanzlei in Panama waren. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko ist ebenso ins Kreuzfeuer geraten wie Islands Regierungschef Sigmundur Gunnlaugsson. Und in Russland? Da zeigt sich die Führung betont unbeeindruckt von den ansonsten so aufsehenerregenden Dokumenten.

Dabei weist ein ganzer Berg der Dokumente, die auf einem Datenleck bei der Kanzlei Mossack Fonseca und den großangelegten Recherchen von 400 Journalisten aus vielen Teilen der Welt beruhen, auf eine mögliche Geldspur bis in den inneren Zirkel Putins hin. Freunde des Präsidenten sollen über ihre Offshore-Firmen Milliarden-Geschäfte abgewickelt haben. Dennoch hält sich die Aufregung darüber in Grenzen.

Zuerst ignorierten die staatlichen und kremlfreundlichen Medien die Panama Papers ganz, dann berichteten einige nur über bestimmte Teile – über die Probleme für Poroschenko etwa und über einen in den Dokumenten genannten argentinischen Fußballer. Wenige Stunden später reagierte Kremlsprecher Dmitiri Peskow dann mit Attacken gegen den Westen, sprach von einem Versuch, Putin in Misskredit zu bringen, obwohl dieser selber in den Papieren nicht direkt mit einer Briefkastenfirma in Verbindung gebracht werde.

Peskow behauptete, dass der für die groß angelegte Recherche verantwortliche internationale Journalistenverbund ICIJ mit Hauptsitz in Washington Verbindung zur US-Regierung habe. „Es ist offensichtlich, dass es viele Journalisten gibt, deren Hauptberuf wahrscheinlich kein Journalismus ist“, sagte der Sprecher und unterstellte, dass „frühere Angestellte des Außenministeriums, der CIA und anderer Sicherheitsdienste“ in die Enthüllungen verwickelt sein könnten.

Im Laufe der vergangenen Jahre, als Putin-Freunde fast oder ganz konkurrenzlos lukrative Staatsaufträge einheimsten und dadurch Vermögen anhäuften, haben unabhängige Medien immer wieder eigene Untersuchungsberichte veröffentlicht. Darin war von Interessenskonflikten oder möglicher schwerer Korruption die Rede. Aber diese Berichte lösten nie offizielle Ermittlungen, personelle Konsequenzen in der Regierung oder öffentliche Entrüstung aus.


Was könnte sich für Putin als Desaster erweisen?

Die einzige Ausnahme war vielleicht der Protest von Lastwagenfahrern im vergangenen Jahr, die sich gegen eine neue saftige Straßenbenutzungsgebühr wandten – auferlegt von einem Unternehmen, dessen Teilbesitzer der Sohn eines Putin-Freundes ist.

Selbst wenn der Offshore-Skandal im russischen Fernsehen Beachtung fände, so sagen russische Experten, würde Putin trotzdem unbeschädigt aus der Sache herauskommen. „Es gibt keine Berichte, die Putin direkt mit den Firmen verbinden, aber sogar wenn es sie gäbe, ist es unwahrscheinlich, dass das seine Unterstützer in Russland schockieren würde“, sagte Alexander Baunow vom Carnegie Center in Moskau. Putins Gegner suchten an der falschen Stelle nach Problemen, die seine Regierung möglicherweise destabilisieren könnten.

Was könnte sich für Putin als Desaster erweisen? „Alles, was Russland in die 1990er zurückbringt“, so Baunow. Er bezog sich auf eine Zeit, in der Löhne zurückgehalten wurden und der Lebensstandard sank. Es ist wohl einfach so, dass eine Enthüllung von Korruption in Putins innerem Zirkel in einem Land, in dem Offizielle standardmäßig als korrupt betrachtet werden, als nichts Besonderes gilt. Und die Korruption eines Putin-Freundes, ja sogar ein eigener Fehltritt des Präsidenten, nicht als besondere Sünde.

„In einer gesunden Gesellschaft wären all jene Freunde der nationalen Führungsperson schon hinter Gittern und die Führungsperson selber wäre ein Paria“, schrieb Dmitri Gudkow am Montag in einem Blog. Er ist der einzige russische Parlamentarier, der seinerzeit gegen die Krim-Annexion stimmte.

„In unserer Gesellschaft lautet die Reaktion: „Was soll's? Er trinkt nicht das Blut neugeborener Babys, dafür sollte man dankbar sein.“ Wir wissen, dass die Dinge schlimmer sein könnten“, sagte Gudkow.

Während russische oppositionelle Aktivisten mit Entrüstung auf die „Panama Papers“ reagierten, ließen die Berichte weitaus mehr Russen schlicht kalt. „Im Ernst. Wenn jemand ein Foto von einem Putin, der sich „Peppa Pip“ anschaut, veröffentlicht hätte, dann wäre das Aufsehen größer gewesen“, twitterte Blogger Ilja Warlamow. Er bezog sich dabei auf eine populäre Zeichentrickserie.

Und so erregte es denn auch in Russland auch kaum Aufmerksamkeit, dass auf der Liste in den „Panama Papers“ neben Präsidenten, Regierungschefs, Scheichs, Milliardären und anderen Magnaten auch der eines russischen Cellisten auftaucht: Sergej Roldugin. Bisher war er nur russischen Musikfreunden ein Begriff, unter anderem in seiner Funktion als künstlerischer Direktor des Hauses der Musik in St. Petersburg.

Aber er ist auch ein enger Freund von Putin und sogar Patenonkel der ältesten Tochter des Kremlchefs. Die „Panama Papers“ nennen Roldugin – oder jemand, der sich als ihn ausgibt – jetzt als einen Mann, der über eine Reihe miteinander verbundener Firmen überaus lukrative Milliarden-Geschäfte abgewickelt haben soll. Kremlsprecher Peskow bestätigte, dass Roldugin ein Freund Putins sei. Er fügte allerdings hinzu, dass der Präsident „viele Freunde hat“.

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