Prüfbericht Milliarden für nichts? Rechnungshof kritisiert EU-Hilfe für Türkei

Der Europäische Rechnungshof wirft der EU schwerwiegende Fehler bei der Vergabe von EU-Finanzhilfen an die Türkei vor. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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EU-Hilfe für Türkei: Rechnungshof kritisiert EU-Finanzhilfen Quelle: dpa

Luxemburg Jahrelang soll Brüssel Milliarden von Euro an die Türkei überwiesen haben, ohne die Zahlungen in ausreichendem Maße an Bedingungen geknüpft zu haben. Zu diesem Ergebnis kommt der Europäische Rechnungshof in einem Prüfbericht, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Um welche Art von Hilfe geht es – und um wie viel Geld?

Im Zuge der Verhandlungen über einen EU-Beitritt hat Brüssel der Türkei für den Zeitraum von 2007 bis 2020 über neun Milliarden Euro an sogenannten Heranführungshilfen zugesagt.

Was genau kritisiert der Europäische Rechnungshof?

Laut des Rechnungshofs, sind die für die Heranführung der Türkei an die EU vorgesehenen Gelder bislang nicht in ausreichendem Maß an Bedingungen geknüpft worden. Zudem habe die zuständige EU-Kommission nicht zielgerichtet genug in Projekte zur Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz, der Pressefreiheit und der Zivilgesellschaft investiert.

„In der Praxis waren die Heranführungshilfen bislang nicht ausreichend auf einige der grundlegendsten Anforderungen ausgerichtet“, kritisierte Chefprüferin Bettina Jakobsen. Dazu gehörten die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz, die Bekämpfung von Korruption oder die Pressefreiheit.

Die Unterstützung der Türkei im Rahmen der offiziell noch immer laufenden EU-Beitrittsverhandlungen sorgt seit Monaten für Diskussionen. Grund ist vor allem die andauernde Inhaftierung von Journalisten und Menschenrechtlern in dem Land.

Was sagt die EU-Kommission?

Die Möglichkeit, die Gelder verstärkt in Projekte für die Demokratieentwicklung, Rechtsstaatlichkeit oder Zivilgesellschaft zu leiten, werde bereits genutzt, heißt es bei der EU-Kommission.
Warum hat die EU ihre Finanzhilfen für Türkei bislang kaum an Bedingungen gekoppelt?

Laut Wernerus hat das besonders mit der Schlüsselrolle des Landes bei der Eindämmung der illegalen Migration in Richtung Europa zu tun. Die Türkei habe für die EU schon immer eine besondere Bedeutung gehabt, in der Flüchtlingsfrage sei sie aber nochmals wichtiger geworden.

Können die Heranführungshilfen auf Eis gelegt werden bis sich die Situation in der Türkei verbessert hat?

Die EU-Kommission betonte zuletzt immer wieder, dass die Gelder solange gezahlt werden müssten, wie die Beitrittsverhandlungen liefen. Um die Heranführungshilfen rechtlich legitim komplett einfrieren zu können, müssten ihr zufolge die 2005 gestarteten EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei offiziell gestoppt werden. Auf einen solch weitreichenden Schritt könnten sich die EU-Staaten bislang aber nicht einigen.

Lohnt sich eine Fortsetzung der Hilfen angesichts der politischen Situation in der Türkei überhaupt noch?

Auf diese Frage gibt der Sonderbericht des Rechnungshofes keine klare Antwort. Laut Prüfer Dennis Wernerus sind nach derzeitigem Stand etwa die Gelder für das türkische Justizsystem keine gute Anlage gewesen. Gleichzeitig sei aber auch viel Geld an Nichtregierungsorganisationen gegangen und den türkischen Bürgern zugutegekommen.

Was empfiehlt der Rechnungshof?

Um die Erfolgsaussichten künftiger Projekte zu erhöhen, empfiehlt der Rechnungshof, die Mittelvergabe künftig wesentlich stärker an Bedingungen zu knüpfen. So könnte die Kommission beispielsweise damit drohen, die Steuerung der Projekte zu übernehmen, wenn die türkischen Behörden sie nicht wie geplant umsetzen. Zudem sollten die Gelder gezielter in Problembereichen eingesetzt werden.

Was sagt die EU-Kommission zu den Empfehlungen?

Die EU-Kommission akzeptierte laut dem Prüfbericht die Empfehlungen. In ihrer Stellungnahme wies sie allerdings noch einmal darauf hin, dass gerade die Fortschritte in Bereichen wie der Rechtsstaatlichkeit vom politischen Willen der türkischen Behörden abhängig seien.

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