Razzien in Ministerien Madrid greift in Katalonien durch

Die Situation in Spanien spitzt sich zu. Kurz vor dem Unabhängigkeitsreferendum ließ die Madrider Zentralregierung mehrere Ministerien der katalanischen Regionalregierung durchsuchen. Eine Staatskrise bahnt sich an.

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Die Wut auf den Straßen Barcelonas ist groß. Quelle: dpa

Madrid/Berlin In Spanien eskaliert der Streit zwischen Madrider Zentralregierung und den Separatisten in Barcelona. Wenige Tage vor dem geplanten Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien wurden am Mittwoch im Zuge von Razzien in mehreren Ministerien der katalanischen Regionalregierung der Wirtschaftsstaatssekretär Josep Maria Jove sowie weitere regionaler Mandatsträger von der der Zentralregierung unterstehenden Guardia Civil festgenommen. Der Chef der Regionalregierung in Barcelona, Carles Puigdemont, warf dem spanischen Regierungschef Mariano Rajoy darauf hin vor, die Trennungslinien hin zu einem repressiven Regime überschritten zu haben. Er rief die Katalanen auf, sich massenhaft an der für den 1. Oktober geplanten Volksabstimmung über die Loslösung vom Rest Spaniens zu beteiligen. Die Madrider Zentralregierung will dagegen das Votum unter allen Umständen verhindern.

Die Polizei gab zunächst keine Einzelheiten über den in den frühen Morgenstunden gestarteten Einsatz bekannt. In Madrid erklärte Rajoy: „Es ist ein Einsatz, der auf richterliche Anordnung erfolgt.“ Es gehe darum, Gesetze einzuhalten. Das spanische Verfassungsgericht hat das Referendum für unzulässig erklärt, da nach der Verfassung Spanien unteilbar ist. Das Innenministerium in Madrid erklärte, bei den Durchsuchungen in Barcelona sollten Beweise gesichert werden.

Puigdemont warf der spanischen Regierung vor, die Macht an sich gerissen zu haben, die Autonomie Kataloniens sei aufgehoben worden. Nach einer Krisensitzung seiner Regionalregierung rief er dazu auf, sich massenhaft am Unabhängigkeitsreferendum zu beteiligen: „Die Bürger sind aufgefordert, am 1. Oktober die Demokratie gegen ein repressives und einschüchterndes Regime zu verteidigen.“

In Barcelona versammelten sich Hunderte Menschen vor dem Wirtschaftsministerium der Regionalregierung und protestierten gegen das Vorgehen der Guardia Civil. Sie schwenkten Fahnen der Unabhängigkeitsbewegung und skandierten den Kampfruf der Republikaner während des Spanischen Bürgerkrieges „No pasaran“ (Sie werden nicht durchbrechen), berichtete ein Reuters-Fotograf.

Das Innenministerium in Madrid verhängte mit Blick auf den 1. Oktober eine Urlaubssperre für die Nationale Polizei und die Guardia Civil. Ein Mitarbeiter der Hafenbehörde von Barcelona bestätigte, dass die Fähre „Rhapsody“ mit Kabinenplätzen für knapp 2500 Menschen vom spanischen Staat gechartert worden sei. Sie biete offenkundig Übernachtungsmöglichkeiten für zusätzliche Sicherheitskräfte. Die spanische Polizei geht seit Tagen gegen die Vorbereitungen der Volksbefragung vor. So wurden über eine Million Plakate, Informationsmaterial über das Referendum und Werbematerial beschlagnahmt. Die ersten von mehreren Hundert katalanischen Bürgermeistern, die offiziell das Referendum unterstützen, wurden am Dienstag vor den Generalstaatsanwalt geladen.

Zu einem heftigen Schlagabtausch kam es auch im Madrider Parlament. „Sie und ihre Lakaien nehmen just in diesem Moment gewählte katalanische Mandatsträger nur wegen ihrer Ideale fest“, wandte sich der zu den Separatisten zählende Abgeordnete Gabriel Rufián an Rajoy. „Ich bitte und ich verlange, dass Sie ihre schmutzigen Hände von den katalanischen Institutionen nehmen.“ Der Chef der linkspopulistischen Podemos-Partei, Pablo Iglesias, nannte die Festgenommenen „politische Gefangene“. Rajoy wies die Vorwürfe zurück: „Die Regierung macht was sie machen muss, sie erfüllt ihre Pflichten.“ Die Verhältnismäßigkeit bei den Einsätzen in Katalonien sei gewahrt.

In Berlin mahnte die Bundesregierung Stabilität beim EU-Partner an. „Die Bundesregierung hat ein großes Interesse daran, dass die Stabilität in Spanien erhalten bleibt“, sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch auf Anfrage. „Deshalb ist es wichtig, dass in allem die Rechtsstaatlichkeit - das heißt natürlich: die spanische Verfassung - eingehalten wird.“ Dies sei bereits vor zwei Jahren die Haltung Bundeskanzlerin Angela Merkel gewesen und gelte heute immer noch. Es handele sich aber um eine „innerspanische Angelegenheit“.

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