Nach langem Ringen ist das deutsche Lieferkettengesetz seit nun mehr als einem Monat in Kraft. Symbolisch reisen in diesen Tagen Entwicklungsministerin Svenja Schulze und Arbeitsminister Hubertus Heil durch Westafrika. Auch, um Präsenz zu zeigen. Bei der Umsetzung der neuen Regeln komme es darauf an, dass den Menschen „am Anfang der Lieferkette“ geholfen werde, sagt Schulze.
Unternehmen haben nun die Pflicht, Sorgfalt für die Einhaltung von Menschenrechten bei der gesamten Produktion zu tragen. Dafür müssen sie unter anderem Berichte vorlegen, die vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) in Eschborn kontrolliert werden. „Wer global wirtschaftet, wer global Gewinne macht, muss auch global Verantwortung übernehmen“, sagt Heil.
Während die Minister sich bei ihrer Reise die Produktion von Kakao und Textil anschauen, herrschen tausende Kilometer entfernt ganz andere Probleme. In den Staaten um die großen afrikanischen Seen wie der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda, Burundi und Uganda, werden Mineralien gewonnen – insbesondere Zinn, Wolfram und Tantal. Diese Rohstoffe sind in Zeiten der Energiewende essenziell für die Produktion von zum Beispiel Batterien oder Solarzellen. Mit der fortschreitenden Umstellung auf erneuerbare Energien, steigen nicht nur Bedarf und Preise, sondern auch der illegale Abbau und Handel vor Ort.
Hier werden die Mineralien neben den offiziellen Minen in kleinen, inoffiziellen Stätten gewonnen, in denen Menschenrechte verletzt werden und Kinder- und Zwangsarbeit keine Seltenheit sind. Die Gewinne aus dem illegalen Geschäft fließen vorbei an den staatlichen Haushalten in private Hände und dienen häufig zur Finanzierung gewaltsamer Konflikte.
So unterstützen Unternehmen im globalen Norden passiv und unbeabsichtigt diese kriminellen Machenschaften. Seit mehr als einem Jahrzehnt bemühen sich internationale Organisationen, diesen illegalen Abbau mit den sogenannten Konfliktmineralien zu bekämpfen und einen zertifizierten, legalen Handel zu etablieren.
Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat in einer Studie, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt, die bestehenden Vorschriften und Kontrollmechanismen beim Handel mit diesen Mineralien analysiert und Empfehlungen ausgesprochen, wie Kontrollen besser gestaltet werden können.
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Die Autoren der Studie teilen die Lieferkette in drei Stufen ein: Upstream, welche den Abbau, Transport, Handel und die Ausfuhr der Mineralien meint, Midstream, in welcher die Rohstoffe in Schmelzhütten und Raffinerien weiterverarbeitet werden und schließlich Downstream, die Endproduktion. Die Studie zeigt, dass die guten Absichten des Lieferkettengesetzes und ähnlicher Regelungen zu kurz greifen.
Die größten Probleme liegen in der ersten Stufe: Das Material aus den illegalen Minen wird heimlich mit dem der legalen Minen vermischt. „Die Regulierung hat sich in den letzten Jahren vor allem auf Downstream konzentriert“, kommentiert Stefan Schott von der Friedrich-Naumann-Stiftung, „Unternehmen des globalen Nordens sind danach für die gesamte Lieferkette verantwortlich. Sie müssen sich dafür auf die Kontrollen vor Ort verlassen – und die funktionieren oft nicht.“
Um den illegalen Handel vor Ort und entlang der Minenstandorte zu verhindern, wurde 2009 die Initiative Itsci von der Zinn-Industrie ins Leben gerufen. Durch Markierungen, die wie Siegel funktionieren, soll kenntlich gemacht werden, dass es sich um legales Material handelt. Nun hat der globale Verband Responsible Minerals Initiative (RMI) der Initiative im letzten Jahr das Vertrauen entzogen. Es kam raus, dass mit den Markierungen gehandelt wurde. „Diese Initiative ist eher ein Waschautomat für illegales Material und weniger eine Kontrollinstanz, die wirklich greift“, so Schott. Das führe dazu, dass Unternehmen aktuell keine Möglichkeit haben, nachzuweisen, wo das Material gewonnen wurde. Aus der Not und mangelnden Alternativen werden die Itsci-Zertifikate sogar noch ein halbes Jahr anerkannt.
Obwohl die Probleme in den Minen vor Ort am größten sind, empfiehlt die Studie, dass sich Regulierungen vor allem auf den Midstream, also die Raffinerien und Schmelzhütten, konzentrieren sollen. „An dem Rohmaterial, dass hierhin geliefert wird, kann noch erkannt werden, wo es herkommt“, so Schott, „hier kann am kostengünstigsten und effizientesten agiert werden“.
Eine Möglichkeit der Kontrolle hat die Bundesgesellschaft für Rohstoffe (BGR) entwickelt. Mit dem „Analytical Fingerprint“ kann untersucht werden, aus welchem Loch eine Probe kommt. Die Technik kommt bisher noch nicht zum Einsatz, vor allem weil Staaten vor Ort sich wehren. Außerdem müsse die Probe für den Transport stark abgesichert werden, „das kostet Zeit und Geld“, sagt Schott. „Es fehlen der Wille und die robuste Durchsetzung, die Institutionen vor Ort sind zu schwach und der globale Norden kümmert sich bisher zu wenig“.
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