Tea Party Warum die republikanische Mehrheit bei den US-Kongresswahlen gefährdet ist

Es waren gerade Newcomer der Tea Party, die den Republikanern die Mehrheit im Repräsentantenhaus sicherten. Doch ihre Zahl hat sich nahezu halbiert.

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US-Kongresswahlen: Warum die republikanische Mehrheit gefährdet ist Quelle: dpa

Washington Mit vollmundigen Versprechen eroberten die republikanischen Neulinge zum Erstaunen des Washingtoner Establishments 2010 die Mehrheit im Repräsentantenhaus: Sie wollten Steuern und Ausgaben senken und einige Projekte rückgängig machen, mit denen Barack Obama als US-Präsident ihrer Meinung nach übers Ziel hinaus geschossen ist.

Doch als Tea Party wollen sie acht Jahre später nicht mehr bezeichnet werden. Auch der Tea Party Caucus, eine Gruppe innerhalb der republikanischen Fraktion, ist inzwischen Geschichte. Und fast die Hälfte der 87 Newcomer, die damals im größten Aufschwung der sogenannten Grand Old Party seit den 1920er Jahren gewählt wurden, sind wieder weg. Einige, darunter Außenminister Mike Pompeo und der Haushaltsdirektor im Weißen Haus, Mick Mulvaney, wechselten in Regierungsposten. Andere gingen zurück ins Privatleben, manche wurden Senatoren.

Wenn nun bei den Kongresswahlen im Herbst die Mehrheit im Repräsentantenhaus wieder zur Disposition steht, werden sich nur drei Dutzend der Wiederwahl stellen. Die Geschichte der Tea-Party-Revolte zeigt auch die Grenzen dessen, was vom Schwung eines Wahlkampfs in die Regierungsrealität gerettet werden kann.

Der Republikaner Austin Scott sitzt für Georgia im Repräsentantenhaus und war Vorsitzender dieser Parlamentsneulinge. Den Begriff Tea Party lehnt er ab, das Etikett bekam die Gruppe nach seinen Worten von den Medien und der Obama-Regierung verpasst. Es ist eine Bezeichnung, die einige Abgeordnete jetzt lieber vergessen würden. „Wir waren nicht die, für die ihr uns alle gehalten habt“, betont Scott.

Er nennt sie lieber „Kleinunternehmer“ oder solche, die „das Wachstum der Regierung stoppen“ wollten. Trotz ihrer gelben Flaggen mit der Aufschrift „Don't tread on me“ (Reiz mich nicht) und den Demonstrationen gegen Obamas Gesundheitsreform hätten die neuen republikanischen Abgeordneten eigentlich mit dem Präsidenten zusammenarbeiten wollen – wenn Obama sie nur eingebunden hätte, findet Scott: „Wir waren nicht angetreten, das Land zu übernehmen.“

Dennoch veränderten sie Washington – mit einem aggressiven, renitenten Regierungsstil, der sich nicht an Konventionen hielt, republikanische Parteigrößen stürzte und in vielerlei Hinsicht den Boden bereitete für den Aufstieg Donald Trumps.

In manchem hatten sie Erfolg. Im „Versprechen an Amerika“, einem 21-Seiten-Manifest der Parteiführung, gelobten sie den Stopp „außer Kontrolle geratener Ausgaben“, die Reform des Kongresses und die Beendigung „der wirtschaftlichen Unsicherheit“. Sie zwangen den Kongress zu drastischen Ausgabenkürzungen, teilweise durch die Drohung, die Staatsschulden nicht zu bedienen, und nutzten damit die Routineabstimmung zur Erhöhung der US-Schuldenobergrenze während der jährlichen Budgetverhandlungen als Knüppel.

Die Republikaner stoppten auch Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitsschutzvorschriften, was bis heute gilt. Am bemerkenswertesten ist vielleicht die Verabschiedung von Steuersenkungen im Umfang von 1,5 Billionen Dollar, was Trump dann unterzeichnete und damit dem Slogan der Tea Party „Genug besteuert“ Rechnung trug. Ihre „ungeheuerlichste Niederlage“ war nach Ansicht des ehemaligen Abgeordneten für Kansas, Tim Huelskamp, die Unfähigkeit, Obamas Gesundheitsreform zu verhindern, – schließlich realisierte Obama damit sein Prestigeprojekt in der Innenpolitik.

Huelskamp zufolge hielt die Gruppe der Neuparlamentarier nie richtig zusammen. Als er im Januar 2011 in Washington ankam, stand zu seinem Erstaunen die Führungsriege schon fest, mit dem damaligen Abgeordneten für Ohio, John Boehner, als designiertem Parlamentspräsidenten, der auf wenig Widerstand stieß. „Das war ein Zeichen: Das Establishment in Washington nahm gerne unsere Stimmen, wollte aber nicht unserer Agenda folgen“, sagt Huelskamp.

Im Lauf der Zeit einigten sich die Republikaner auf Haushaltsdeals mit den Demokraten, und die Staatsausgaben erreichten fast wieder die früheren Werte. Zusammen mit dem Steuerpaket ist der republikanisch geführte Kongress auf dem besten Weg, das Defizit 2019 auf fast eine Billion Dollar zu treiben – so hoch wie in den frühen Jahren der Obama-Regierung, als diese mit einer schweren Rezession kämpfte.

Den Republikanern sei es nicht gelungen, eine konsequente Steuer- und Ausgabenpolitik für einen ausgeglichenen Haushalt zu machen, obwohl sie den Kongress kontrollierten – und nun das Weiße Haus, betont Maya MacGuineas von der Organisation Committee for a Responsible Federal Budget: „Es ist eine Menge Gerede und null Umsetzung.“

Der Frust in den Reihen der Konservativen nahm zu, und die Gruppe der Neulinge zersplitterte. Nicht alle von ihnen waren beliebt bei ihren örtlichen Tea Party-Gruppen. Einige schlossen sich anderen Konservativen im House Freedom Caucus an, der Boehner 2015 in die Vorruhestand drängte.

Der ehemalige Vertreter Floridas, Allen West, war eines der prominenteren Mitglieder der Tea Party im Repräsentantenhaus und verlor die Wiederwahl. Er betont, die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus müsse sich im Vorfeld der Kongresswahlen die Frage stellen, wer sie sind und wofür sie stehen.

In dieser kritischen Zeit müsste die Fraktion eigentlich eine klare Botschaft verbreiten, doch die Partei habe ein Identitätsproblem: „Es gibt keine Republikanische Partei. Es gibt eine Trump-Partei“, betonte Boehner kürzlich auf einer Konferenz in Michigan.

Auch Boehners Nachfolger als Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan aus Wisconsin, will abtreten. Er war ein konservativer Aufsteiger, lange vor dem Erfolg der Tea Party, jedoch angesichts der Zersplitterung mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie Boehner. Nach dieser Amtszeit wird er in den Ruhestand gehen.

Tatsächlich verlassen in diesem Jahr ungewöhnlich viele Republikaner das Abgeordnetenhaus, darunter fast ein Dutzend aus der Gruppe der Tea Party. Einige kandidieren als Gouverneure oder Senatoren, obwohl manche schon in den Vorwahlen unterlagen. Einige, darunter der Shooting Star Trey Gowdy aus South Carolina, verlassen die Politik, andere mussten wegen Skandalen den Hut nehmen.

Nach Ansicht von Jenny Beth Martin, Mitgründerin der Organisation Tea Party Patriots, durchläuft jede politische Bewegung verschiedene Phasen. Bei der Wahl der nächsten Tea-Party-Mitglieder des Repräsentantenhauses suche die Gruppe nun „bewährte und erprobte“ Kandidaten, und nicht mehr „Bürger als Abgeordnete“ wie in ihren frühen Tagen.

Eine weitere Spitzenfigur von 2010, Tim Scott aus South Carolina, ist inzwischen Senator und hat nach eigenen Angaben kein Problem mit der Bezeichnung Tea Party. Seinen Kollegen rät er, auch tatsächlich zu regieren und Versprechen zu halten.

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