„Shame, Shame, Shame“-Rufe begleiteten die republikanischen Abgeordneten des Repräsentantenhauses, als sie hastig die Stufen des Capitol hinunter und an den Demonstranten vorbei eilten. Wortlos verschwanden sie in den Bussen, die sie zu Donald Trumps Siegesfeier ins Weiße Haus bringen sollten.
Schnappschussartig bringt die Szene die demütigende Abhängigkeit der gewählten Volksvertreter der USA von ihrem Präsidenten ans Licht. Sie sind nicht die Stimme ihrer Wähler, sondern sie helfen dem Präsidenten, einen dringend nötigen Sieg zu erringen.
Am Donnerstag verabschiedete die republikanische Fraktion des US-Repräsentantenhauses gegen den Widerstand der Demokraten und einiger Parteigenossen einen Gesetzesentwurf, der massive Änderungen für das US-Gesundheitssystem bringen soll. 216 Stimmen hätte er gebraucht, 217 hat er bekommen.
Die wichtigsten Änderungen sind die Abschaffung der generellen Versicherungspflicht für Privathaushalte, aber auch für Unternehmen, die jetzt ihren Mitarbeitern keine Versicherungen mehr anbieten müssen. Versicherungsunternehmen wiederum sind dem Gesetzesentwurf zufolge nicht mehr verpflichtet, gewisse Mindeststandards bei ihren Policen einzuhalten.
Zusätzlich räumt der Gesetzesentwurf der Trump-Regierung den US-Bundesstaaten die Möglichkeit ein, Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes oder Krebs nicht mehr zu versichern. Die auf diese Weise von der Krankenversicherung Ausgeschlossenen müssten dann in Hochrisiko-Pools gehen, von denen nicht klar ist, welche Gesundheitsleistungen sie überhaupt abdecken, wie hoch die Beiträge ausfallen oder wie sie finanziert werden.
Dramatische Auswirkungen wird zudem eine massive Kürzung bei der staatlich finanzierten Krankenversicherung für Arme haben, die Präsident Barack Obama erst verbessert hatte. Und bereits beim ersten, gescheiterten Anlauf einer Gesundheitsreform hatte eine Studie des Haushaltsausschusses des Kongresses festgestellt, dass Trumpcare mindestens 24 Millionen Amerikaner den Krankenversicherungsschutz kosten würde.
Der Haushaltsausschuss des Kongresses wird nun eine neue Studie über die Auswirkungen erstellen, aber auf die wollte Donald Trump nach der ersten vernichtenden Studie nicht warten. Selbst Politiker wie der republikanische Senator Lindsey Graham aus South Carolina mahnen zur Vorsicht: „Ein Gesetz, gestern fertiggestellt, ohne Bewertung und ohne die Möglichkeit Zusätze anzufügen, mit drei Stunden Debatte – da sollte man vorsichtig sein.“
Die neuerliche Abstimmung kam als politischer Handstreich zum Wochenende. Letzte Änderungen wurden erst 24 Stunden zuvor eingefügt, um konservative Hardliner zu beschwichtigen. Eine echte Diskussion im Plenum war nicht mehr möglich.