Unter Quarantäne im Land der Inkas, Teil 2 Jetzt darf kein Tourist mehr auf die Straße

WiWo-Redakteur Bert Losse vor einem der noch geöffneten Läden in Cusco. Quelle: Bert Losse

WirtschaftsWoche-Redakteur Bert Losse steht mit einer deutschen Reisegruppe unter Corona-Quarantäne in den peruanischen Anden. Die Lage verschärft sich, die Kontrollen werden immer strenger. Die Polizei macht uns klar: Ab sofort ist unser Hotel ein Gefängnis. Keiner darf mehr raus.

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Heute ist Tag vier in meinem peruanischen Corona-Arrest. Mit meiner Frau und 13 weiteren Mitreisenden stehen wir in einem Hotel in Cusco unter Quarantäne. Und keine Frage: Unsere Lage verschärft sich. Schon seit gestern durften wir – wie alle Peruaner – auf Anordnung der Regierung zwischen 20 Uhr und 5 Uhr das Haus auch mit guter Begründung nicht mehr verlassen. Und die Ordnungsmacht lässt bei der Eindämmung von Corona nicht mit sich spaßen. In Lima wurde ein nächtlicher Fußgänger von einem Großaufgebot an Polizei überwältigt und mitgenommen.

Auch tagsüber, wo bisher kleinere Einkäufe erlaubt waren, werden die Kontrollen schärfer. Ein Mitglied unserer Reisegruppe, die ursprünglich heute über den Titicacasee getuckert wäre, wird bei der Rückkehr vom Supermarkt von drei Polizisten abgefangen und zum Hotel eskortiert. Wenig später kommt die Polizei erneut ins Haus und macht unmissverständlich klar: Ab sofort ist unser Hotel ein Gefängnis. Keiner darf mehr raus. Benötigte Lebensmittel und Medikamente soll ab sofort ein Mitarbeiter des Hotels für uns besorgen. Was zunächst nach Schikane klingt, hat einen ernsten Hintergrund: In Arequipa hat offenbar ein Tourist bei einem „Landgang“ das Virus in sein Hostel eingeschleppt.

Sicher, mit unserem Hotel haben wir es gut getroffen, es gibt einen kleinen Innenhof mit Garten, wo wir heute unter blauem Himmel die Anden-Sonne genießen konnten. Aber die völlig unklare Lage und die Unsicherheit, ob und wann wir nach Deutschland zurück können, zehren immer stärker an den Nerven. Eine junge Mitreisende bringt es auf den Punkt. Sie fühle sich wie im Altenheim: „Man hängt den ganzen Tag rum, darf nicht raus und der Höhepunkt des Tages ist das Mittagessen.“

Ständig kursieren neue Listen, auf denen wir uns mit Namen und Reisepassnummern eintragen sollen. Ich habe mittlerweile den Überblick verloren, welchen amtlichen Stellen aus Deutschland und Peru ich schon alles meinen Ausreisewunsch mitgeteilt habe. In jedem Fall dabei ist das peruanische Tourismusministerium und das Deutsche Generalkonsulat in Cusco, auch bei der Fly-Home-Aktion von Condor, bei der man sich für unfreiwillige Rückflüge registrieren kann, sind unsere Daten hinterlegt.

Schon vor der Reise hatte ich mich und meine Frau aus einem komischen Gefühl heraus in die Krisenvorsorgeliste „Elefand“ des Auswärtigen Amtes (AA) eingetragen; dort werden Deutsche im Ausland erfasst. Der Ansturm auf Elefand ist allerdings nun so groß, dass das System kollabiert. Elefand sei „leider derart überlastet, dass das System nicht mehr verlässlich funktioniert“, teilt das AA mit. Das Amt hat daher mit Hilfe von SAP eine App entwickelt, über die sich alle gestrandeten deutschen Touristen für das COVID-19-Rückholprogramm registrieren lassen können. 

Die zentrale Frage für uns bleibt: Wie kommen wir aus der Andenstadt Cusco in die mehr als 1000 Kilometer entfernte Hauptstadt Lima, wo bald hoffentlich die Heimhol-Jets der Bundesregierung landen? Es gibt derzeit weder Inlandsflüge noch Busverbindungen dorthin (letztere würden überdies fast 24 Stunden dauern). Und wenn es einen Sonderflug für gestrandete Touristen von Cusco nach Lima geben sollte: Wie kommen wir dann zum Flughafen Cusco? Eine in unserer Gruppe durchaus ernsthaft diskutierte Option ist es, die knapp fünf Kilometer mit Gepäck zu Fuß zu gehen. Immerhin: Der peruanische Tourismusminister ist heute nach Cusco gekommen, um mit den lokalen Behörden die Evakuierung von Touristen zu besprechen. Das ist eine gute Nachricht. Insgesamt sollen knapp 200 Deutsche in Cusco festhängen.

Leere Straße in Cusco Quelle: Bert Losse

Und dann plötzlich: ein kurzer Moment der Hoffnung! Wir finden eine Nachricht unserer Fluglinie Latam in unserem E-Mail-Briefkasten. Ist es der ersehnte Hinweis auf einen Rückflug nach Deutschland? Leider nicht: Latam fragt höflich an, ob wir für unseren Rückflug nächste Woche nicht ein Upgrade buchen wollen. Soll man da lachen oder weinen? Sind die Mitarbeiter von Latam in den vergangenen Wochen auf dem Mars gewesen?

Weit professioneller präsentiert sich da schon das Deutsche Konsulat in Cusco. Von dort verlautet am Abend, dass es wohl nächste Woche Flüge nach Deutschland geben werde. Hoffentlich sind wir dabei!

Bus in Peru Quelle: Bert Losse

Auch das Musikprogramm im Essraum des Hotels trägt weiterhin nicht zur Stabilisierung unserer Psyche bei. Barry Manilow auf der Panflöte! Auf der Hitliste des Grauens kommt das nur knapp hinter dem Coronavirus. Wenn ich hier raus komme, gründe ich als erstes eine Volksbewegung zum Verbot aller Panflöten.

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