Venezuela „Gewinnen oder sterben“ – Präsident Maduro vor seiner Schicksalswahl

Am Sonntag will Nicolás Maduro sich im Amt bestätigen lassen. Sein Sieg schien sicher – doch jetzt führt ein Oppositionskandidat in den Umfragen.

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Santiago „Gebt mir einen Balkon und das Land ist mein!“, lautet das legendäre Motto südamerikanischer Caudillos. Doch wenn es danach ginge, dann dürfte es Nicolás Maduro am morgigen Sonntag schwer haben, die Wahlen zu gewinnen. Bei seiner Abschlussveranstaltung versuchte der 55-jährige Präsident mit allen Mitteln, den Volkstribun zu imitieren und Emotionen zu wecken.

Doch trotz des professionellen Auftritts, blieb der Beifall der herangekarrten Zuschauer mechanisch. Deren Enthusiasmus hielt sich sichtlich in Grenzen. Da nützten die professionellen Einpeitscher und abkommandierten Anhänger der Regierung genauso wenig, wie die laute Salsa- und Reggaeton-Musik. Auch der argentinische Fußballstar Diego Maradona, unermüdlicher Sympathisant der Linksregimes Südamerikas, wird nicht frenetisch gefeiert.

Morgen will sich Maduro für sechs Jahre „wählen“ lassen. Fast alle Oppositionskandidaten hat er von den Wahlen ausgeschlossen. Wahlbeobachter sind nicht zugelassen. Die Opposition boykottiert die Wahlen. Maduro verspricht allen die wählen gehen und ihre „Vaterlandskarte“ vorzeigen, ein „schönes Geschenk“ am Wahltag. Die USA, Europa und die wichtigsten Staaten Lateinamerikas wollen das Wahlergebnis nicht akzeptieren. „Ich pfeife darauf, was Europa und Washington sagen!“, sagt er und reckt trotzig die Faust hoch.

Es ist erstaunlich, dass Maduro überhaupt Wahlen abhalten will. Denn es gibt weltweit kaum ein Land, das so schlecht regiert wird wie Venezuela unter Maduro. Die Hyperinflation beträgt etwa 15.000 Prozent. In fünf Rezessionsjahren ist die Wirtschaft um 40 Prozent geschrumpft. Die Ölproduktion des Landes mit den größten Ölreserven weltweit, ist auf den Stand vor 30 Jahren gesunken. „Ich habe einen Plan, vertraut mir“, erklärt Maduro bei der letzten Wahlveranstaltung am Donnerstag. „Gebt mir Eure Stimme und ich schwöre, dass ich eine wirtschaftliche Revolution entfachen werde, welche die Welt erschüttern wird.“

Kaum jemand, selbst die verbliebenen 20 Prozent der Venezolaner, die ihn wählen wollen, nehmen ihm das ab. Zu krass leiden fast alle Menschen unter dem wirtschaftlichen Chaos, das Maduro angerichtet hat. Das Land kann kaum noch Lebensmittel importieren. Die Menschen hungern und werden immer dünner. Medikamente fehlen.

Die Venezolaner sterben an Krankheiten, die längst ausgemerzt schienen. Die Kindersterblichkeit ist explodiert. Kommt es zu Protesten, dann entgegnet Maduro ungerührt: „In Venezuela protestieren die Reichen und die Armen feiern ihr soziales Glück.“

Nur mit Hilfe mächtiger Verbündeter kann sich Maduro an der Macht halten. Das sind einerseits China und Russland, die einzigen, die Venezuela noch Kredit geben. Kuba liefert zudem die militärischen Berater und das Geheimdienstpersonal, um den Repressionsapparat aufrecht zu erhalten. Nicht nur Polizei und Militärs greifen brutal ein, wenn der Frust der Menschen in den Warteschlangen vor den leeren Supermärkten in Revolten umzuschlagen droht.

Die Regierung alimentiert paramilitärische Milizen, die Colectivos. Das sind Banden, deren bewaffnete „Söldner“ blitzschnell mit ihren Motorrädern auftauchen, jemanden verschleppen, erschießen oder bestenfalls nur zusammenschlagen und so täglichen Terror verbreiten. Seit Mitte letzten Jahres ist es nicht mehr zu großen Massenprotesten gegen das Regime gekommen, bei denen es auch Tote gab. Die Menschen sind inzwischen zu zermürbt und mit dem Überleben beschäftigt, um noch zu demonstrieren.

Dennoch ist Maduros Sieg nicht mehr sicher. Mit Henri Falcón kandidiert ein ehemaliger Mitstreiter von Maduros Vorgänger Hugo Chávez, der sich 2010 von dessen Linkspartei lossagte und zum Oppositionsbündnis MUD wechselte. Der 53-jährige frühere Militär, Anwalt und Ex-Gouverneur kandidiert trotz des Wahlboykotts der MUD.

In den Umfragen führt er zwischen 30 und gar 44 Prozent – also deutlich vor Maduro, dessen Umfragewerte bei 20 Prozent stagnieren. Falcon will die Wirtschaft dollarisieren, einen Mindestlohn einführen und den Ölkonzern PdVSA wieder zu alter Größe führen. Falcon setzt auf abtrünnige Maduro-Unterstützter, Chávez-Fans und Oppositionelle, die trotz des Boykotts wählen gehen.

Er braucht eine hohe Wahlbeteiligung, um gewinnen zu können, denn die von der Regierung kontrollierten Wähler werden zu den Wahlurnen gehen und für den Diktator stimmen. Auch die Umfragewerte des Evangelikalen und Unternehmers Javier Bertucci legen zu, auf derzeit etwa 14 Prozent.

Dennoch scheint derzeit unwahrscheinlich, dass Maduro eine Niederlage akzeptieren wird. Bei den letzten Wahlen, ließ er so offensichtlich und plump sowohl die hohe Beteiligung als auch die Stimmen für sich fälschen. Eine obskure argentinische Firma liefert jetzt die Software für die elektronischen Wahlurnen. Das britische Unternehmen welches die Technologie noch letztes bis letztes Jahr geliefert hat, ist wegen der Manipulationen ausgestiegen.

Maduro setzt alles dran, um an der Macht zu bleiben. Er hat in den letzten Monaten auch nicht gezögert selbst loyale Wegbegleiter zu verhaften. Vor allen bei den noch loyalen Militärs rumort es. Zwei Dutzend höhere Militärs sollen festgenommen worden sein. Jeden Keim einer Revolte will er ersticken. Maduro sagte neulich, es gebe nur zwei Alternativen für ihn: „Gewinnen oder sterben“.

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