Wahl in Russland Prognosen sehen Putin als klaren Sieger

Wladimir Putin steht aller Voraussicht nach eine weitere Amtszeit als Präsident bevor. Laut Meinungsforschern werden am Sonntag zwei Drittel der Wähler für den amtierenden Ministerpräsidenten stimmen.

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Das Konterfei von Regierungschef Putin ist in Moskau vor der Wahl allgegenwärtig. Quelle: AFP

Moskau Einen Tag vor der Präsidentschaftswahl in Russland deuten alle Anzeichen auf einen klaren Sieg des amtierenden Ministerpräsidenten Wladimir Putin hin. Laut der jüngsten Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum könnten bereits im ersten Wahlgang zwei Drittel der Stimmen auf Putin entfallen. Damit müsste sich der Regierungschef nicht in einer Stichwahl einem der vier Gegenkandidaten stellen. Im äußersten Osten Russlands öffnen die Wahllokale bereits am Samstagabend um 22.00 Uhr (MEZ). Im Westen des Landes schließen die Wahllokale am Sonntag um 18.00 Uhr (MEZ).

Die russischen Börsen hatten am letzten Handelstag vor der Präsidentenwahl zugelegt. Der in Rubel gehandelte Leitindex Micex stieg am Freitag um bis zu 0,9 Prozent auf ein Sieben-Monats-Hoch von 3712,96 Punkten. Der RTS, in dem die größten, in Dollar gehandelten russischen Werte zusammengefasst sind, notierte 0,5 Prozent fester bei 1731,29 Zählern.

„Politische Stabilität ist gut für Investoren“, sagte Finanzmarkt-Experte Murat Toprak von HSBC in London. „Die Rückkehr Putins bedeutet, dass sich nichts ändern wird.“ Die Wahl des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin ins Präsidentenamt, das er bereits von 2000 bis 2008 innehatte, gilt als sicher. „Politische Unsicherheit ist kein heißes Thema mehr“, fügte Toprak hinzu. „Sie wird von zwei Faktoren mehr als aufgewogen - der weltweit zunehmenden Liquidität und dem steigenden Ölpreis.

In der deutschen Wirtschaft löst die erwartete Rückkehr des russischen Regierungschefs in den Kreml hingegen gemischte Gefühle aus: „Wir sehen dies mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt Jens Nagel vom Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA). „Die Exporte steigen sehr stark, aber es könnte weitaus besser sein, wenn Russland sich endlich modernisieren würde.“ Der weltgrößte Energie-Produzent steht vor der Herausforderung, seine rückständige Wirtschaft zu reformieren und diversifizieren. Dazu muss Russland seine Abhängigkeit von Öl- und Gasausfuhren vermindern, die 65 Prozent aller Exporte des Landes und mehr als die Hälfte der Staatseinnahmen ausmachen.


Experte warnt vor Rückfall der russischen Wirtschaft

Schon Präsident Dmitri Medwedew war mit dem Ziel einer radikalen Modernisierung angetreten, aber gescheitert. Er sagte der geringen Produktivität den Kampf an und setzte auf die Förderung innovativer Technologien wie etwa IT, erneuerbare Energien und Medizintechnik, um Russland neu auf dem Weltmarkt zu positionieren - allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Auch Putin werde sich im erwarteten Fall seiner Wahl zum Präsidenten am Sonntag als Modernisierer präsentieren, erwartet Außenwirtschaftsexperte Nagel. Wenn Russland weiterhin nur auf Öl- und Gas setze und es nicht schaffe, eine wettbewerbsfähige Wirtschaft herauszubilden, werde das Land
aber „gnadenlos in der Globalisierung“ zurückfallen, so Nagel.

Volkswirten zufolge muss Putin bei der Umsetzung seiner Versprechen aufs Tempo drücken: Das Wirtschaftswachstum hat sich seit der globalen Krise 2008/09 auf jährlich noch rund vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eingependelt. Der tiefste Einbruch wurde 2009 verzeichnet, als die Wirtschaft um knapp acht Prozent schrumpfte.

Zuvor waren Wachstumsraten um sechs bis sieben Prozent erreicht worden. Allerdings ist Russland fast schuldenfrei: Die Staatsverschuldung liegt bei zehn Prozent des BIP. Russland verfügt zudem über Zentralbankreserven von einer halben Billion Dollar - die drittgrößten der Welt.

Die überfälligen Reformen sind auch entscheidend für die Entwicklung der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen. Deutschland ist für Russland der zweitwichtigste Handelspartner nach China. Die deutschen Exporte nach Russland stiegen im vergangenen Jahr um 30 Prozent. Für dieses Jahr wird unter anderem wegen Russlands Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) ebenfalls mit einem zweistelligen Wachstum gerechnet. Mit der WTO-Mitgliedschaft verbunden ist die Verpflichtung zum Abbau von Handelshemmnissen, die Geschäfte zwischen Russland und Deutschland oft belasten.


Unternehmen beklagen Bürokratie und Korruption

In einer Umfrage des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft und der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer kritisieren deutsche Unternehmen zudem die anhaltend hohen bürokratischen Hürden und weitreichende Korruption. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Russland 2011 zusammen mit Nigeria Rang 143 von 183 Ländern, wobei eine höhere Zahl ein stärkeres Ausmaß an Korruption angibt.

Nagel hält es für unwahrscheinlich, dass sich während einer weiteren Präsidentschaft Putins, der bereits zwischen 2000 und 2008 an der Staatsspitze stand, etwas ändern wird: „Der Apparat bleibt der gleiche, deswegen sollte man Putin nicht zum Hoffnungsträger hochstilisieren. Es ist abzuwarten, ob es in der Praxis bei Lippenbekenntnissen bleibt.“ Russland brauche zwar einen Reformimpuls, aber es sei unklar, woher dieser momentan kommen sollte.

Der Vorsitzende des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, verspricht sich indes positive Effekte etwa von Anti-Putin-Demonstrationen. „Die Protestbewegung, die es seit den Dumawahlen gibt, trägt dazu bei, dass es in Russland nun einen echten Wettstreit der Ideen gibt“, erklärt er. Dies könne den Modernisierungsprozess beschleunigen.

Deutsche Unternehmen bewerten die erwartete neue Amtszeit Putins uneinheitlich: In der Umfrage des Ostausschusses rechnen 30 Prozent der Firmen mit positiven Impulsen, 25 Prozent befürchteten eine Verschlechterung der Geschäftsklimas, 45 Prozent erwarten keine Auswirkungen. „Trotz teilweise verbesserungswürdiger Rahmenbedingungen gibt es hohe Erwartungen an das Marktpotenzial“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, Michael Harms. Dafür spreche die im vergangenen Jahr wieder deutlich gestiegene Zahl deutscher Unternehmen in Russland, die derzeit bei über 6.300 liege.

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