Weltwirtschaft So spaltet Corona die Welt ökonomisch

Quelle: REUTERS

Der Internationale Währungsfonds revidiert seine Konjunkturprognosen nach oben. Doch es wird immer deutlicher, wer am Ende die Verlierer der Krise sein werden: die Entwicklungsländer.

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Fangen wir mit der guten Nachricht an: Glaubt man dem Internationalen Währungsfonds (IWF), dann ist das konjunkturelle Tal der Tränen bald durchschritten. Auf der Frühjahrstagung der Organisation hat IWF-Chefvolkswirtin Gina Gopinath heute eine neue Prognose präsentiert, wonach die globale Wirtschaftsleistung 2021 trotz Corona um sechs Prozent zulegen könnte – 0,5 Punkte mehr als in der IWF-Prognose von Januar. Deutschland kann demnach in diesem Jahr mit einem Wachstum von 3,6 Prozent rechnen. Zuvor hatte bereits die Welthandelsorganisation WTO ihre Prognosen nach oben geschraubt. Die WTO erwartet nun ein Wachstum des weltweiten Warenhandels um acht Prozent (statt 7,2 Prozent) und einem Anstieg der globalen Wirtschaftsleistung von 5,1 Prozent (statt 3,8 Prozent).

Doch die Sache hat einen Haken: Tempo und Ausmaß der wirtschaftlichen Erholung sind global höchst unterschiedlich verteilt – und die langfristigen Folgen erst recht. Zu den vielen Schäden, die Corona hervorgerufen hat, kommt nun auch noch eine wachsende ökonomische Spaltung der Welt hinzu.

Zum einen läuft die Versorgung mit Impfstoffen in den Entwicklungsländern nur schleppend an, zum anderen fehlen den Staaten meist die finanziellen Mittel, die Krisenfolgen durch Rettungspakte und Finanzhilfen an Bürger und Betriebe abzufedern. Die coronabedingten Einkommensverluste sind daher laut IWF-Berechnungen in den Entwicklungsländern pro Kopf mehr als doppelt so hoch wie in wohlhabenden Staaten. Für den Zeitraum 2020 bis 2024 gehen die IWF-Volkswirte für Entwicklungsländer von einem Minus von 5,7 Prozent aus – in den Industriestaaten hingegen nur von 2,3 Prozent. Dies werde wahrscheinlich „zu größeren Unterschieden im Lebensstandard der Länder führen als dies vor der Pandemie der Fall war“, sorgt sich IWF-Ökonomin Gopinath.

„Die Krise wird Jahre des mühsamen Fortschritts der am wenigsten entwickelten Länder in Bereichen wie Armutsminderung, Ernährung und Bildung umkehren“, warnt auch ein Bericht der UN-Organisation für Handel und Entwicklung (Unctad). Die afrikanische Entwicklungsbank (AfEB) geht davon aus, dass allein in Afrika rund 39 Millionen Menschen aufgrund der Krise in extreme Armut abrutschen. Besonders betroffen sind Beschäftigte im informellen Sektor mit niedrigem Bildungsniveau. Die Schuldenquote der Staaten dürfte laut AfEB kurz- bis mittelfristig um durchschnittlich 10 bis 15 Prozentpunkte steigen.

Damit nicht genug. Angesichts der Pandemie und vor dem Hintergrund wachsender geopolitischer Spannungen denken Unternehmen derzeit weltweit über eine Neujustierung ihrer Wertschöpfungsketten nach – und auch hier könnten Entwicklungsländer die Leidtragenden sein. Im Falle einer Verkürzung oder Regionalisierung von Lieferketten drohen „signifikante negative Effekte auf die wirtschaftliche Entwicklung von Schwellen- und Entwicklungsländern“, warnt Ronald Bogaschewsky, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Universität Würzburg.

Vor allem die disruptiven Folgen der Digitalisierung sind für das Wachstumsmodell armer Länder ein Risiko – unabhängig von Corona. Mit fortschreitender Automatisierung, dem Vormarsch des Roboters und immer ausgefeilteren 3D-Druckern schwindet für die Wirtschaft in Industrieländern die Bedeutung der Lohnfertigung. „Bei kapitalintensiverer Produktion zu Hause relativieren sich die Kostenvorteile durch Lohnfertigung im Ausland – dadurch erodiert das Geschäftsmodell vieler Entwicklungsländer“, warnt Bogaschewsky. Sein Plädoyer: „Wir müssen Wege finden, eine Teilhabe dieser Staaten an der globalen Arbeitsteilung zu sichern.“

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Und das wird teuer. Laut IWF müssten die ärmsten Länder der Welt in den kommenden fünf Jahren rund 200 Milliarden Dollar zur Verfügung haben, allein um die Folgen der Pandemie zu neutralisieren. Weitere 250 Milliarden Dollar seien nötig, um zurück auf einen Wachstumspfad zu gelangen, der die Wohlstandslücke im Vergleich zu den Industriestaaten verringert.

Mehr zum Thema: Trotz Pandemie soll die Weltwirtschaft in diesem Jahr stark wachsen. Der IWF zeigt sich optimistisch. Profitieren dürften aber vor allem reiche Industrieländer.

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