Wirtschaftswachstum „Afrika hat eine Chance, auf die Überholspur zu kommen“

Kleinbauern sollten besser über Böden, Saatgut und Düngemitteleinsatz geschult werden, um produktiver anbauen zu können. Quelle: dpa

Bevölkerungswachstum übertrumpft Wirtschaftswachstum – so lässt sich eine Studie des Berliner Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zu Subsahara-Afrika zusammenfassen. Ist der verhängnisvolle Wettlauf aufzuhalten?

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WirtschaftsWoche: Frau Sütterlin, warum gibt es in Afrika eine arme und eine reiche Gesellschaft?
Sabine Sütterlin: Wenn wir auf die Landwirtschaft blicken, ist beispielsweise Südafrika ein Land, wo die Produktivität weit höher ist als in anderen Teilen des Kontinents. Wir haben uns in der Studie „Nahrung, Jobs und Nachhaltigkeit“ vor allem die Länder südlich der Sahara angesehen: Da gibt es noch viele Länder, wo der Agrarsektor von der kleinbäuerlichen Landwirtschaft bestimmt wird. Die ist wenig produktiv. Nicht, weil die Bauern faul sind, sondern weil sie schlechten Zugang haben zu Informationen über neueste Methoden, wie man nachhaltig intensivieren kann.

Was meinen Sie damit?
Es fehlt der Zugang zu Wissen und kleinem Kapital, um in produktionssteigernde Mittel zu investieren, zum Beispiel in Dünger, Pflanzenschutzmittel oder Mechanisierung. Darüber hinaus schließen sich Bauern auch oft nicht zu Kooperationen zusammen, um sich das alles gemeinsam leisten zu können. Das wäre wichtig. Und sie können sich nicht sicher sein, dass sie das Land, das sie gerade bewirtschaften, auch in nächster Zeit noch bewirtschaften können, weil das Land dem Staat oder traditionell der Gemeinschaft gehört und sie keine gesicherten Landrechte haben.

In der Studie beschäftigen Sie sich auch mit dem hohen Bevölkerungswachstum.
Was die Weltbevölkerung betrifft, ist innerhalb der nächsten 30 Jahre südlich der Sahara mit dem größten Bevölkerungswachstum zu rechnen. Die Bevölkerung wird sich dort mindestens verdoppeln. Das liegt daran, dass die Frauen dort in ihrem Leben im Durchschnitt mehr als fünf Kinder bekommen. Das Problem ist, dass die Bevölkerung schneller wächst, als die Wirtschaft hinterherkommt. Ein tatsächlicher Fortschritt ist wegen der hohen Geburtenrate nur in geringem Maße vorhanden, weil von dem Wirtschaftswachstum pro Kopf der Bevölkerung wenig oder gar nichts übrig bleibt.

Und wie kann man das lösen?
Sowohl bei uns in den Industrieländern, als auch in den Schwellenländern in Asien oder Lateinamerika war immer der Agrarsektor der Ausgangspunkt für Entwicklung. Durch einen Strukturwandel wird Entwicklung möglich: Wenn die Landwirtschaft produktiver ist, kann sie die wachsende Bevölkerung besser ernähren. Und es können Arbeitsplätze in vor- und nachgelagerten Bereichen des Agrarsektors entstehen, zum Beispiel in der Weiterverarbeitung der primären landwirtschaftlichen Produkte, in der Beratung oder im Maschinenhandel.

Wer ist da vor allem gefragt?
Zunächst einmal die Regierungen der 49 Länder in der Subsahara. Vor Jahren haben sich alle verpflichtet, zehn Prozent ihres Haushalts in den Agrarsektor zu stecken und diesen voranzubringen. Da ist bislang aber wenig passiert und selbst in den Ländern, wo investiert wird, kommt es nicht so richtig in die Gänge. Gefragt sind aber auch Investoren jeglicher Art, aus Afrika und aus dem Ausland.

Zur Person

In was sollten die investieren?
In landwirtschaftliche Unternehmen, die sich um die Weiterverarbeitung von Agrarprodukten kümmern. Dafür müssen in den Ländern aber auch zunächst die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Dann kann das lukrativ sein.

Wie schätzen Sie persönlich die Chancen Afrikas ein, bis 2050 auf die – wie Sie in Ihrer Studie sagen – „Überholspur“ zu kommen?
Ich bin überzeugt, dass es gelingen kann. Die Bauern müssen zu neuen Informationen kommen. Das Wissen zu neuen, effizienten Anbaumethoden oder zu besserem Saatgut muss verbreitet werden, sodass die Bauern ihre Ressourcen nachhaltig einsetzen können und beispielsweise wissen, wann ein Boden ausreichend mit Nährstoffen versorgt ist und sie sich den Dünger sparen können. Wenn es dann auch gelingt, die Wertschöpfungsketten nachhaltig zu entwickeln, räume ich dem Ganzen gute Chancen ein.

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