20 Jahre Mauerfall Deutschland einig Flickenteppich

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Alwin Brinkmann, 63, Oberbürgermeister in Emden, Ostfriesland Quelle: Sebastian Hänel für WirtschaftsWoche

Wenn Alwin Brinkmann vergleicht, dann ehrlich, das heißt: nicht nur die vergangenen 20, sondern 60 Jahre. Er kennt das Gerede von den Billionen, die im Osten verplempert wurden – und will nichts davon hören. Aufholen bedeutet auch nachholen, sagt Brinkmann, und: „Es ist ja nicht so, dass sich in den vergangenen 20 Jahren bei uns nichts getan hätte.“ Brinkmann ist seit 1986 Oberbürgermeister im ostfriesischen Emden, kein Kollege in Niedersachsen regiert länger als er. Sobald Brinkmann einen Schritt vors Rathaus tut, schallt ihm ein vielstimmiges „Moin, Alwin“ entgegen. Die Emdener wissen, was sie an ihm haben. Mitte der Achtzigerjahre war hier jeder Vierte arbeitslos, die Werften steckten in der Krise, in Japan bauten sie bessere, jedenfalls billigere Schiffe.

Niemand interessierte sich damals für Emden. Heute kommen schon mal Iris Berben und Maximilian Schell zum Filmfest und 125.000 Besucher zur Munch-Ausstellung in die Henri-Nannen-Kunsthalle. „Ich glaube, wir Emdener haben mit der Kultur an Offenheit und an Selbstvertrauen gewonnen“, sagt Brinkmann.

Obwohl die Thyssen-Werft in diesen Wochen mal wieder vor dem Aus steht, sieht sich Emden für die Zukunft gewappnet: Im Hafen werden alljährlich eine Million VW- und Audi-Fahrzeuge umgeschlagen, es gibt ein neues Gewerbegebiet mit Zulieferern, die den lebenswichtigen VW-Standort sichern, einen neuen Autobahnanschluss Richtung Ruhrgebiet – und einen neuen Hoffnungsträger: Bard Engineering, ein Hersteller und Betreiber von Offshore-Windparks, der sich erst vor fünf Jahren in Emden angesiedelt, mehr als 150 Millionen Euro am Standort investiert und 700 Arbeitsplätze geschaffen hat.

Bard hat große Pläne, Geschäftsführer Frank Hagemeister spricht von 10 bis 14 Kraftwerken mit jeweils 80 Energieanlagen, die das Unternehmen schlüsselfertig bauen, verschiffen, verkaufen und warten will; läuft alles glatt, sind für Emden in den nächsten Jahren weitere 500 Arbeitsplätze drin. „Wir haben uns eine kleine, schöne Welt aufgebaut“, sagt Brinkmann, und: „Ich freue mich, dass die Städte im Osten dazu nach der Wende auch die Chance hatten.“

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