AfD-Chefin Feuerwerk der Kritik zu Petrys Geburtstag

Ausgerechnet an ihrem Geburtstag steht AfD-Chefin Petry unter heftigem Beschuss. Parteikollegen stoßen sich an ihrem „vorschnellen“ Vorgehen im Boateng-Eklat. Sogar ihre Eignung als Parteichefin wird infrage gestellt.

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Frauke Petry, Bundesvorsitzende der Partei Alternative für Deutschland (AfD): Im Parteivorstand zunehmend isoliert. Quelle: dpa

Berlin Die Vorsitzende der AfD, Frauke Petry, hat schon einiges an Vorwürfen einstecken müssen – vom politischen Gegner wie von Parteikollegen. Dass ihr nun aber ausgerechnet zu ihrem einundvierzigsten Geburtstag aus der Parteispitze ein Feuerwerk der Kritik serviert wird, hat eine besondere Qualität. Denn damit verfestigt eine sich schon länger abzeichnende Entwicklung: Petry hat im Bundesvorstand immer weniger Rückhalt.

Wie isoliert Petry mittlerweile ist, zeigt der Umstand, dass sich die Spitze der rechtspopulistischen Partei im Streit nach abfälligen Äußerungen über den deutschen Fußball-Nationalspieler Jerome Boateng hinter den stellvertretenden Vorsitzenden Alexander Gauland gestellt hat. Die Kritik von Petry sei nicht gut angekommen, hieß es am Dienstag in Parteikreisen nach einer Debatte im Bundesvorstand.

Gleichzeitig bemüht sich die AfD-Spitze aber auch intern um Schadensbegrenzung, da Gaulands Boateng-Aussage wohl auch bei einigen Parteimitgliedern nicht gut angekommen sei, wie es in Parteikreisen hieß. In einer Rundmail, die am Mittwoch an alle Parteimitglieder ging, schrieb der Bundesvorstand: „Die AfD steht für einen selbstbewussten Patriotismus, der Menschen unterschiedlicher Herkunft selbstverständlich mit einbezieht.“

Die AfD-Spitze stellte zudem fest: „Wir sind stolz auf unsere Nationalmannschaft und auch stolz auf diejenigen, welche für sie spielen und bei der bevorstehenden Europameisterschaft wieder mit vollem Einsatz auf dem Spielfeld für Deutschland antreten.“ Ähnlich hatte sich zuvor schon die Petry geäußert. Sie reagierte damit auf ein Interview Gaulands, in dem er über den dunkelhäutigen Boateng gesagt hatte, als Spieler werde er für gut befunden, aber als Nachbarn wolle man ihn nicht haben.

Bezogen auf Streitigkeiten über den Wortlaut der Äußerungen zog Petry das Erinnerungsvermögen Gaulands in Zweifel und entschuldigte sich im Sender n-tv bei Boateng „für den Eindruck, der bereits entstanden ist“. Ihrem Ärger machte Petry zudem in einem Telefonat mit Gauland Luft. „Frau Petry hat mich angerufen und sich sehr kritisch über die Berichterstattung geäußert“, sagte der AfD-Vize der „Bild“-Zeitung. In AfD-Vorstandskreisen sei schon von einer „Kriegserklärung Petrys an Gauland“ die Rede gewesen, will das Blatt erfahren haben.

Ob Gaulands Äußerungen nun ein Fehler gewesen seien oder nicht – man hätte ihn nicht öffentlich kritisieren sollen, hieß es am Dienstag in Parteikreisen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Petry sei im Bundesvorstand isoliert gewesen.

Der AfD-Chef in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, rüffelte Petrys Stil in der Causa Gauland. Ihm persönlich sei „eine geradlinige Vorgehensweise lieber, als im Namen anderer solche Äußerungen zu tätigen“, sagte Poggenburg zu „Focus Online“. Petrys Vorgehen halte er zudem „für etwas vorschnell“. Ihre Äußerung wolle er auch nicht als Entschuldigung für Gaulands Aussage, sondern nur als Richtigstellung gelten lassen.


„Das könnte ihr noch zum Verhängnis werden“

Deutlich schärfer ging der Magdeburger AfD-Abgeordnete und Vorstandssprecher der rechten „Patriotischen Plattform“ innerhalb der AfD, Hans-Thomas Tillschneider, mit Petry ins Gericht: Es sei Gaulands Sache gewesen, die Frage mit seiner Boateng-Äußerung „klarzustellen“, sagte Tillschneider gegenüber  „Focus Online“. Petrys Reaktion kanzelte er als „wieder einmal überflüssig“ ab.  

Die Bundesvorsitzende agiere „zunehmend unglücklich“, sagte Tillschneider weiter. Und nannte als Beispiel Petrys „überflüssige Angriffe“ auf den Thüringer Landeschef Björn Höcke, als dieser sich über die angeblichen „Reproduktionsstrategien“ von Afrikanern geäußert hatte. Höcke gilt als gefährlichster Rivale Petrys.

Dies wurde auch im Landtagswahlkampf deutlich. Petry tourte zwar fleißig durch Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. In Sachsen-Anhalt, wo ihr rechtsnationaler Gegenspieler eine große Anhängerschaft hat, ließ sich Petry dagegen nicht blicken.

Manche in der AfD scheinen derzeit nur auf eine günstige Gelegenheit zu warten, um die Parteichefin noch stärker zu isolieren. Dass gegen Petry in Sachsen wegen des Verdachts auf Meineid und uneidliche Falschaussage ermittelt wird, kommt ihnen dabei sehr gelegen.

Petry habe der AfD „einiges zugemutet“, sagte Tillschneider. Und er bringt Konsequenzen ins Spiel, sollte die Dresdner Staatsanwaltschaft im Zuge ihrer Meineid-Ermittlungen gegen Petry Anklage erheben. Dann könne „die Partei darüber nicht ohne Konsequenzen hinweggehen“, so Tillschneider. Niemand in der AfD sei „alternativlos“.

Das sieht der Freiburger AfD-Politiker Dubravko Mandic ähnlich, auch wenn er Petry zugesteht, „durchaus sehr beliebt“ in der AfD zu sein. Allerdings habe sie „im innerparteilichen Konflikt mit harten Bandagen gegen innere Gegner gekämpft“, sagte Mandic zu „Focus Online“. „Das könnte ihr noch zum Verhängnis werden.“ Petrys Co-Chef Jörg Meuthen sei mittlerweile ein ernstzunehmender Herausforderer für sie. Meuthen traue er die „notwendige Harmonisierung der Flügel“ innerhalb der AfD zudem eher zu als Frauke Petry.


Bisher keine ernsthaften Versuche, Petry zu stürzen

Dass einige führende AfD-Politiker inzwischen ein Problem mit Petry haben, ließ sich auch schon beim Bundesparteitag in Stuttgart Anfang Mai nicht übersehen. Von allen Vorstandsmitgliedern begrüßte sie einzig Partei-Vize Albrecht Glaser mit echter Herzlichkeit. Andere, vor allem männliche Vorstandsmitglieder, ziehen schon mal in Zweifel, ob die von Petry vorgebrachten Ideen von ihr selbst stammen oder von ihrem Lebensgefährten, dem AfD-Landeschef in Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell.

Für die Parteibasis ist die AfD-Chefin aber immer noch eine Identifikationsfigur. Deshalb gibt es bislang keine ernsthaften Versuche, Petry zu stürzen. Die Vorstandskollegen bemühen sich aber, ihre Macht zu beschneiden.

Immerhin scheinen Petrys Kritiker eines erreicht zu haben: Zu einem zweiten Fall, in dem ein Mitglied der deutschen Fußball-Nationalmannschaft mit ausländischen Wurzeln durch AfD-Politiker marginalisiert wird, wollte die Vorsitzende im Dresdner Landtag am Dienstag nicht Stellung nehmen.

Die sächsische Landtagsabgeordnete Andrea Kersten hatte in einer Stellungnahme vom Sonntag den muslimischen Nationalspieler Mesut Özil wegen eines im Internet gepostetes Foto von seiner Pilgerreise nach Mekka angegriffen.

Dies sei ein „falsches, weil antipatriotisches Signal“, schrieb Kersten. Den Islam bezeichnete sie als Ideologie, in der es unter anderem keine Gleichberechtigung gebe und in der Homosexuelle mit dem Tode bedroht würden. Sie warf Özil zudem vor, vor Länderspielen die Nationalhymne nicht mitzusingen.

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