AfD-Studie "Der AfD fehlt wirtschaftspolitische Kompetenz"

Eine aktuelle Studie zeigt, wie die AfD in den Landtagen arbeitet. Studienautor Bernhard Weßels erklärt, warum die Partei in den Parlamenten kaum wirtschaftspolitische Themen bearbeitet, wo die Fraktionsmitarbeiter herkommen – und welche Tricks die AfD in den Landtagen nutzt.

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Bernhard Weßels Quelle: David Ausserhofer

Es ist die erste ausführliche Studie über die Arbeit der AfD in den Landesparlamenten. Ein Autorenteam des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) hat analysiert, wie die AfD in den Landesparlamenten auftritt, wer die Partei in vertritt – und wie erfolgreich die Arbeit der Abgeordneten ist. Dafür haben die Wissenschaftler die Arbeit der Partei in zehn Landtagen von Sommer 2014 bis Mai 2017 untersucht. Als Datengrundlage für die qualitative vergleichende Analyse dienten zum Beispiel Rechenschaftsberichte der Fraktionen, Kleine und Große Anfragen der AfD-Abgeordneten oder Plenarprotokolle. Zudem haben die Wissenschaftler Interviews mit AfD-Abgeordneten, Journalisten und Abgeordneten der anderen Parteien geführt.

Zur Person

Herr Weßels, Sie haben die Arbeit der AfD in den Landtagen akribisch analysiert. Wie schlägt sich die Partei?
Ihr größtes Problem ist sicherlich das Personal. Für die AfD sitzen jede Menge unerfahrene Leute in den Landtagen. Die Hälfte von denen hat ein wenig Erfahrung auf kommunaler Ebene gesammelt, die andere hat gar keine. In allen zehn Landesparlamenten die wir untersucht haben, gab es nur einen Abgeordneten, der schon mal in einem Landesparlament gearbeitet hat.

Also ist die AfD tatsächlich eine Anti-Establishment-Partei?
Das kommt darauf an, wie man das definiert. Im Westen gibt es zum Beispiel viele AfD-Parlamentarier, die aus dem Bildungsbürgertum kommen. In Ostdeutschland dagegen ist auffällig, dass sehr viele AfD-Leute vor ihrem Einzug ins Parlament selbstständig waren. Was das genau heißt, weiß man nicht. Fest steht aber, dass sich der eigene Status ändert, sobald man Parlamentarier wird. Für nicht wenige ist der Einzug ins Parlament ein deutlicher sozialer Aufstieg. Daraus entsteht die Gefahr, von den Anhängern als zum Establishment gehörend angesehen zu werden.

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Verhalten sich die AfD-Abgeordneten auch so?
Die müssen ja erst einmal lernen, wie das parlamentarische Geschäft funktioniert – und das dauert eine gewisse Zeit. Einige AfD-Leute arbeiten sich aber trotzdem hartnäckig in die Abläufe und Regelwerke ein. Bei vielen merkt man aber auch, dass es ihnen nicht so sehr auf die inhaltliche Arbeit ankommt, sondern eben darauf, sich als Anti-Establishment-Partei zu inszenieren. Das sind jene Leute, die kaum in den Ausschüssen sitzen, wenig mitarbeiten, aber dann große Auftritte im Plenum hinlegen und dafür eigene Kamerateams mitbringen, die das Spektakel filmen. Denen geht es um Aufmerksamkeit und Provokation.

Mit der Spitzenkandidatin Alice Weidel will die AfD ihr wirtschaftspolitisches Profil schärfen. Wie relevant sind ökonomische Themen bislang für die AfD-Fraktionen?
Oft wird behauptet, die AfD beackere nur das Flüchtlingsthema. Diese These können wir mit den Ergebnissen unserer Studie nicht bestätigen. In ihrer parlamentarischen Arbeit ist die AfD tatsächlich breiter aufgestellt. Uns hat allerdings überrascht, dass sozialpolitische und wirtschaftliche Themen keine so große Rolle spielen wie man annehmen könnte.

"In der Breite fehlt der AfD die wirtschaftspolitische Kompetenz"

Woran liegt das?
In unseren Interviews haben einige AfD-Abgeordnete zugegeben, dass der Partei dafür derzeit schlicht noch die Kompetenz fehlt. In der Parteispitze sitzen einige Ökonomen, aber in der Breite fehlt der Partei die wirtschaftspolitische Kompetenz. Noch problematischer für das Profil der Partei ist die fehlende sozialpolitische Kompetenz.

Die AfD-Abgeordneten, mit denen wir gesprochen haben, glauben, dass die Partei sozial-ökonomische Themen deutlich stärker spielen müsste – aber es eben noch am Personal mangelt.

Findet die Partei keine Mitarbeiter für die Parlamente?
Die Rekrutierung für die Parlamente war für die AfD schwierig, weil die Partei von ihren Erfolgen überrannt worden ist. Da war die Personaldecke am Anfang schlicht ein wenig dünn. Aber das hat sich seit den ersten Erfolgen geändert. Die AfD hat kontinuierlich neue und geeignete Mitarbeiter rekrutiert und mittlerweile in den meisten Landtagen einen arbeitsfähigen Unterbau für die Fraktionen aufgebaut. Wir haben da einen Professionalisierungsschub festgestellt.

Woher kommen die neuen Mitarbeiter?
Viele AfD-Mitarbeiter haben einen Burschenschafts-Hintergrund oder kommen aus dem Umfeld der Jungen Freiheit. Auch das Institut für Staatspolitik von dem Neurechten Götz Kubitschek in Schnellroda spielt eine Rolle.

Wann wird die AfD in den Landtagen auf Augenhöhe mit den anderen Parteien sein?
Das ist nicht so einfach zu sagen, denn das kommt natürlich auf die Fraktionsstärke an, und darauf, wie gut die jeweilige Fraktion organisiert ist. Einige Dinge beherrschen die AfD-Leute auch jetzt schon gut.

Uns haben zum Beispiel viele Abgeordnete anderer Parteien erzählt, wie geschickt die AfD-Abgeordneten darin sind, das Flüchtlingsthema auch in fachfremden Ausschüssen anzugehen. Da geht es dann zum Beispiel um Lärmwände – und AfD-Abgeordnete fragen, wie viele Meter Lärmwand man mit dem Geld bauen könnte, das gerade in ein neues Flüchtlingsheim geflossen ist.

Trotzdem: Bis die AfD alle parlamentarischen Abläufe kennt und beherrscht wird es wohl noch eine Weile dauern.

Die Gesichter der AfD

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