Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erlebt offenbar den nächsten Skandal. Diesmal geht es um Korruption. Wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Bremen der WirtschaftsWoche bestätigte, soll die ehemalige Leiterin der Bremer Außenstelle in mehr als 1200 Fällen Asylanträge positiv beschieden haben, ohne dass die Voraussetzungen dafür vorlagen. Mittlerweile ist sie vom Dienst suspendiert worden. Die Süddeutsche Zeitung berichtete zuerst über den Fall.
Nach Informationen der WirtschaftsWoche soll die Staatsanwaltschaft am Mittwoch und Donnerstag insgesamt acht Objekte durchsucht haben, darunter auch zwei Rechtsanwaltskanzleien. Neben der ehemaligen Leiterin der BAMF-Außenstelle ermittelt die Staatsanwaltschaft Bremen auch gegen drei Rechtsanwälte aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sollen die Anwälte der BAMF-Mitarbeiterin systematisch zugearbeitet haben.
Die Außenstelle sei dem Bericht zufolge für die Antragssteller demnach nicht zuständig gewesen, die Leiterin soll aber in Eigenregie über die Fälle entschieden haben. Ob die BAMF-Mitarbeiterin Geld für das Gewähren von Asyl erhielt, ist noch nicht klar. „Der Verdacht lautet auf Bestechung, Bestechlichkeit und Gewährung von Vorteilen“, sagt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, die im Verdacht stehende BAMF-Mitarbeiterin könnte auch Restaurant-Gutscheine als Zuwendung erhalten haben. Ein Pressesprecher des BAMF war für eine Stellungnahme telefonisch nicht zu erreichen.
Wie aus einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken hervorgeht, lag in Bremen die Schutzquote sowohl 2016 als auch im ersten Halbjahr 2017 immer oberhalb des bundesdeutschen Durchschnittswerts. „Die Anerkennungsquoten in Bremen sind im Bundesvergleich seit Jahren überdurchschnittlich hoch – das missfällt all jenen, die einen restriktiven Kurs in der Asylpolitik durchsetzen wollen. Ich befürchte, dass hier eine unliebsame Mitarbeiterin des BAMF an den Pranger gestellt werden soll, die nicht bereit war, diese Politik mitzutragen“, sagt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linken.
Welche Aufgaben das BAMF zu bewältigen hat
2016 haben 346.000 Personen an 20.000 Integrationskursen teilgenommen. 2017 waren es 276.800 neue Teilnehmer, in 18.800 neuen Kursen. Damit verfehlt das BAMF allerdings deutlich die mit dem Bundesinnenministerium abgesprochenen Ziele. Laut der internen Zielvereinbarung, die der WirtschaftsWoche vorliegt, hat das Ziel bei 430.000 Kursteilnehmern gelegen.
Stand: März 2018
Wie die Bundesregierung auf eine Kleine Anfragen der Linken antwortet, sind Ende 2017 372.000 Verfahren bei Verwaltungsgerichten anhängig gewesen. Gegenüber 2015 hat sich die Zahl damit mehr als versechsfacht. In knapp der Hälfte aller Fälle, in denen inhaltlich entschieden wurde, unterlag das BAMF gegenüber den klagenden Flüchtlingen.
Zum 1. September 2017 hat das BAMF ein neues Qualitätssicherungskonzept eingeführt. In den Außenstellen sollen nun sämtliche Entscheidungen durch ein Vier-Augen-Prinzip überprüft werden, bevor sie das Haus verlassen. Zudem nimmt das Qualitätssicherungsreferat in der Zentrale eine repräsentative Stichprobe und prüft die Entscheidungen abermals. Einmal im Jahr prüft zudem nun eine interne Revision die Qualität der Asylverfahren. Anlass dieser Qualitätsoffensive sind die eklatanten Mängel, die im Rahmen der Affäre um den Bundeswehrsoldaten Franco A. offenbar wurden. Franco A. hatte sich als syrische Flüchtling ausgegeben und Asyl subsidiären Schutz erhalten.
In jedem Fall schürt der Fall erneut Zweifel an der Qualitätssicherung innerhalb der Behörde. Nach dem Bekanntwerden des Falls Franco A. hatte die BAMF-Präsidentin Jutta Cordt eine weitreichende Qualitätsoffensive angekündigt. Seit dem 1. September 2017 sollen an allen „dezentralen Standorten“ sämtliche Entscheidungen durch ein „Vier-Augen-Prinzip“ erfasst werden. Zudem soll das Qualitätssicherungsreferat die Entscheidungen erneut stichprobenartig untersuchen. „Dass es im BAMF erhebliche Qualitätsmängel und kein ausreichendes Qualitätssicherungs- und Kontrollsystem gibt, beklagen Fachanwälte und Flüchtlingsorganisationen seit langem. In aller Regel wirkt sich das aber zu Lasten der Asylsuchenden aus - darüber sollte der aktuelle Fall nicht hinwegtäuschen“, sagt Jelpke.
Ein langjähriger Mitarbeiter sagt der WirtschaftsWoche: „In der Qualitätssicherung kontrollieren die Einäugigen die Blinden.“ Zudem berichtet er davon, dass es nach der personellen Aufblähung des Bundesamts immer wieder Fälle gegeben habe, in denen Entscheidungen durch die politische Einstellung des Entscheiders motiviert gewesen seien. Mehrere Mitarbeiter hätten deswegen das Amt verlassen müssen. Die Behörde hatte einst 2000 Mitarbeiter, nach dem Herbst 2015 ist sie auf zweitweise mehr als 10.000 Mitarbeiter aufgebläht worden.