Bornholmer Straße Transitraum der Deutschen Einheit

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Bornholmer Straße

Das könnte sich ändern. „Ich war überrascht, wie viele Leute kommen“, sagt Janssen. Nun überlegt sie schon, die Öffnungszeiten auszuweiten. In der letzten Zeit haben sich auch andere Designer in der Gegend niedergelassen, Galerien wurden eröffnet und viele Studenten die sich die Mieten im angesagten Ostbezirk nicht mehr leisten können, sind auf die andere Seite der Gleise gezogen.

Doch der Veränderungsprozess dauert, schon seit Jahren wird der Wedding von Berliner Stadtmagazinen zum kommenden Szenebezirk ausgerufen. Sehr viel sieht man davon nicht und auch Janssen ist sich der Probleme bewusst. „Viele junge Leute mit Kindern ziehen auch wieder weg“, sagt Janssen. Wegen des Ausländeranteils von teilweise über 90 Prozent wolle auch sie ihre Kinder hier nicht zur Schule schicken. Das Zusammenwachsen und Zusammenleben ist nicht nur ein Problem zwischen Ost und West.    

Der Prenzlauer Berg verändert sich

Unter der Brücke ertönen Jazzklänge. Hier verlief früher der Todesstreifen, Grenzsoldaten und Hunde patrouillierten auf dem geharkten Sand. Inzwischen säumen Kirschbäume die beliebte Joggingstrecke, die Japaner zur Einheit gestiftet haben. Ein Mann mit Sonnenbrille und grüner Kutte, dessen lange Haare unter einem Basecap stecken, spielt Saxofon.

Andreas Beyer kommt fast täglich hierher in das ehemalige Niemandsland. Über die Brücke in den Wedding geht der Ostberliner nie. „Watt soll ick denn da?“, fragt der Musiker. Doch auch im Prenzlauer Berg, wo er seit den Achtziger Jahren wohnt, fühle er sich immer weniger zu Hause. Beyer beklagt zu viele Cafes und Designerläden, rasant steigende Mieten und eine entsprechend veränderte Bevölkerungsstruktur. Statistisch gibt es wohl nirgendwo anders so eine starke Durchmischung von Ost- und Westdeutschen. Doch auch andere Alteingesessene schimpfen über die „Schwabeninvasion“.

Gartenzwerge

Auch in der Kleingartenkolonie Bornholm I haben sich inzwischen ehemalige Westberliner niedergelassen. Vor der Wende gab es lange Wartelisten, die Grenznahen Grundstücke wurden nur an besonders systemtreue DDR-Bürger vergeben. Doch nach der Wende als ihnen die ganze Welt offen stand, gaben einige ihre Gärten auf. 

„Das wächst jetzt toll zusammen“, sagt Chefkleingärtner Gerber. Und seit er Klaus Kunde kennen gelernt habe, wird auch mit den Laubenpiepern von der anderen Seite zusammen gefeiert. Letztlich habe man auch die gleichen Probleme. Die immer wieder kehrenden Probleme mit Einbrüchen beispielsweise. Das zumindest gab es in der DDR kaum, als noch Grenzsoldaten durch die Kolonie patrouillierten und Besucher von den abgeschlossenen Toren abgeholt werden mussten.

Auch die Zukunft der Kolonien ist unsicher, bis 2020 ist der Bestand zwar garantiert, doch bei den Berliner Politikern wisse man nie. Beim Schimpfen auf die Politiker aller Couleur sind sich  Kunde und Gerber besonders einig. „Eigentlich schade, dass wir nicht früher zusammengefunden haben“, sagt Kunde.

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