Bundesregierung Corona-Tests: Ministerien werden eigenen Ansprüchen nicht gerecht

Den Beschäftigten im Kanzleramt wird aktuell nur einmal pro Woche ein Antigen-Schnelltests angeboten. Quelle: imago images

Die Regierung verlangt von Arbeitgebern mehr Engagement beim Testen ihrer Mitarbeiter auf Corona. Doch die Ministerien selbst haben Nachholbedarf – nicht nur bei der Zahl der Tests, die sie ihren Beschäftigten anbieten.

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So bequem wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes (AA) haben es derzeit vermutlich wenige Beschäftigte: In einem „Drive In“-Schalter in der Tiefgarage des Ministeriums können sie sich vom hauseigenen Gesundheitsdienst kontaktarm auf das Coronavirus testen lassen. Solche PCR-Tests werden dann angeboten, wenn „ein konkreter Infektionsverdacht“ bestehe oder für Dienstreisen ins Ausland ein solcher Test erforderlich sei, teilt eine Sprecherin mit. Alle anderen Beschäftigten könnten sich einmal pro Woche per Schnelltest checken lassen.

Einmal pro Woche – das ist allerdings wenig angesichts des „konsequenten Testregimes“, das die Regierung durchsetzen will. Auch Unternehmen sollen dafür „mehr in die Verantwortung“ genommen werden, kündigte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) nach den stundenlangen Bund-Länder-Verhandlungen am frühen Dienstagmorgen an. „Deutlich mehr“ Firmen müssten solche Tests zur Verfügung stellen, forderte er.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) legte in der Regierungsbefragung am Mittwoch noch einmal nach. Tests in den Betrieben halte sie „für absolut notwendig“, sagte sie. „Mindestens einmal“ und „bei entsprechender Verfügbarkeit zwei Mal pro Woche“ sollen die Tests allen Beschäftigten, die nicht im Homeoffice arbeiten, angeboten werden, so sieht es die Selbstverpflichtung der Wirtschaftsverbände und der Bund-Länder-Beschluss vor. Ob und wie das klappt, dazu sollen die Arbeitgeber bis Anfang April ein entsprechendes Monitoring vorlegen – falls die Ergebnisse „nicht ausreichend“ seien, werde eine regulatorische Vorgabe folgen, kündigte Merkel am Mittwoch an.

Auch Schulen und Kitas sollen pro Woche zwei Tests durchführen, um Infektionen frühzeitig zu erkennen und einzudämmen, heißt es im Beschluss.

Doch ihren hohen Ansprüchen an regelmäßige Tests wird die Regierung selbst bisher nur teilweise gerecht, wie eine Umfrage der WirtschaftsWoche unter den Ministerien zeigt. Eine gemeinsame Beschaffung der Tests für die Verwaltung gibt es durch das Innenministerium bisher nicht. Die Ressorts bauen sich deshalb ihre eigenen Strategien auf – mehr oder weniger erfolgreich. Denn auch sie haben wie die Unternehmen teils noch zu wenig Tests zur Verfügung, um wöchentlich zwei Angebote machen zu können. Auch für die eigene Regierung hat die „Taskforce“ Testbeschaffung von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) damit noch viel zu tun.

Kanzleramt bietet bisher nur einen Test pro Woche an

So wird den Beschäftigten im Kanzleramt aktuell nur einmal pro Woche ein Antigen-Schnelltests angeboten, teilt ein Regierungssprecher mit. Das Angebot werde „sehr gut angenommen“.

Auch im Wirtschaftsministerium können sich alle Beschäftigten, die nicht von zu Hause aus arbeiten, bisher einmal wöchentlich mit einem Selbsttest auf eine mögliche Infektion überprüfen. „In Kürze“ sollen es aber zwei pro Woche sein, teilt ein Sprecher mit. Daneben gebe es aber auch anlassbezogen PCR-Tests und Schnelltests mit Abstrich durch medizinisch geschultes Personal. Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bietet derzeit ebenfalls erst einen Selbsttest pro Woche an. Ebenso das Familienministerium, das das Angebot aber ausbauen will.

Das Umweltministerium setzt für Mitarbeiter in Präsenz ausschließlich auf Selbsttests, verwendet würden sie auch nur dann, „wenn die Teilnahme an einer Präsenzbesprechung geplant ist oder unvermeidbarer längerer Kontakt mit anderen Beschäftigten erwartet wird“. 80 Prozent der Beschäftigten würden aktuell im Homeoffice arbeiten.

Verkehrsministerium muss Tests noch ausliefern

Im Verkehrsministerium sollen die Beschäftigten künftig ebenfalls zwei Selbsttests pro Woche bekommen. Reguläre Tests gibt es dort aber bisher offensichtlich nicht. Und auch die „Lieferung und Ausgabe“ der Selbsttests müsse diese Wochen erst noch erfolgen, erklärte ein Sprecher.

Auch im Gesundheitsministerium gibt es bisher nur ein Testangebot pro Woche, „perspektivisch ist die Einführung von Selbsttest-Angeboten und einer zweiten professionellen Schnelltestmöglichkeit pro Woche angedacht“, teilt eine Sprecherin mit. Das Justizministerium bietet seinen Mitarbeitern nach Angaben einer Sprecherin aktuell bereits Tests „an zwei Terminen pro Woche“ an. Selbsttests würden „zusätzlich bei Bedarf zur Verfügung gestellt“.

Das Arbeitsministerium hat einen externen Dienstleister engagiert, der die Beschäftigten des Ministeriums auf Wunsch zweimal pro Woche mit einem Schnelltest testet. Im Schnitt würden derzeit rund 155 Tests pro Woche durchgeführt, anlassbezogen könnten auch Selbsttests genutzt werden, erklärt eine Sprecherin. Das Finanzministerium setzt ebenfalls auf einen Dienstleister, um seinen Beschäftigten „bis zu zweimal pro Woche“ ein Testangebot zu machen. Ebenso das Landwirtschaftsministerium, das künftig weitere „Laienschnelltests“ zur Verfügung stellen will.

Im Verteidigungsministerium sind dienstags, mittwochs und donnerstags Testtage: Einmal pro Woche könnten sich dann Beschäftigte an den Dienstsitzen in Berlin und Bonn per Schnelltest testen lassen, täglich würden mehr als 230 Tests über das Terminportal Arbeitsschutz des Ministeriums angeboten, erläutert ein Sprecher.

Bundestag fährt drei Teststrecken

Testen lassen können sich auch die Abgeordneten und Beschäftigen im Bundestag, einmal pro Woche würden Antigen-Schnelltests angeboten, ganztägig würden dafür drei Teststrecken zur Verfügung stehen sowie zwei Testräume. Ebenfalls gebe es Eigentests, von denen bereits weitere bestellt seien, erklärte ein Sprecher.

Bei den staatseigenen Unternehmen ist die Teststrategie ebenfalls noch ausbaufähig. Zwar habe der „Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Deutschen Bahn oberste Priorität“, erklärt eine Sprecherin. Wie häufig sie aber getestet werden, konkretisiert sie nicht.

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Und was ist mit Michael Müllers Dienstsitz, dem Roten Rathaus in Berlin? Auch hier können sich die Beschäftigten bisher nur einmal pro Woche testen lassen, sagt ein Sprecher. Wie hoch die geschätzten Kosten für die Tests und die externen Dienstleister sind, teilte kein Ministerium mit. Auch zur Zahl der durchschnittlich angebotenen und durchgeführten Tests pro Woche gab es außer vom Arbeits- und Verteidigungsministerium keine Angaben. Es sind also offensichtlich nicht nur die Unternehmen, die Nachholbedarf beim Monitoring ihrer Teststrategie haben.

Mehr zum Thema: Mit dem Informationschaos rund um den Impfstoff von AstraZeneca und den Infektionszahlen wächst nun auch die Nervosität der Bundesregierung. Ihr letzter Ausweg: die Mobilisierung der Bundeswehr.

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