Thor Kunkel Wie ein Skandal-Autor die AfD neu erfinden will

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Teile der Partei lehnen Kunkels Kurs ab

Das Schaubild ist eine Eigenkreation Kunkels. Er hat es entworfen, um zu illustrieren, was er für den Markenkern der AfD hält. „Die AfD ist für mich eine Partei des Realismus“, sagt Kunkel. „Aber sie steht auch dafür, dass man stolz auf Deutschland sein kann.“ Die Kernkompetenz der Partei sehe er im wirtschaftsliberalen Bereich, sagt Kunkel. Doch damit könne die Partei bei der derzeitigen Themenlage nicht punkten.

Kunkel kann stundenlang über Werbestrategien reden, über „Drachen“, die er demnächst digital steigen lassen will, über „Public Campaigns“ und „Personal Marketing“ wie es in seinen Präsentationen steht. Wer ihm zuhört, bekommt manchmal das Gefühl, einem linken Kosmopoliten zu lauschen. Kunkel hat jahrelang für internationale Werbeagenturen in London und Amsterdam gearbeitet. Er wuchs auf im damals armen Frankfurter Stadtteil Gallus, entwarf als Student Plakate für die Grünen. Heute lebt er wie ein Öko-Aussteiger auf einer Schweizer Alm.

Aber er kann auch anders. Nach den Kölner Silvesternacht schrieb Kunkel in der neurechten „Sezession“: „Der verhausschweinte Deutsche, dieser Jammerlappen und Moral-Krüppel, schlägt in den seltensten Fällen zurück.“ Einen Absatz später prophezeit er, dass es „ganz sicher“ Tote gegeben hätte, falls sich „tausend Deutsche auf einem öffentlichen Platz in einer arabischen und türkischen Stadt zusammenrotten um Frauen sexuell zu belästigen.“ Er habe diese Sätze damals im Affekt geschrieben, sagt Kunkel heute.

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Mit seinem provokanten Kampagnenansatz stößt Kunkel bei der AfD-Basis auf Widerstand. Die Plakatentwürfe seiner Kampagne „Trau dich Deutschland“ lehnen einige Landesverbände und etliche Kreisverbände ab. Wenig bekleidete Frauen mit dem Titel „Burkas? Wir steh’n auf Bikinis“ oder ein halbnackter Babybauch einer Frau mit dem Slogan „Neue Deutsche? Machen wir selber" – das war vielen AfD-Mitgliedern dann doch zu viel. Der Bundeskonvent, eines der wichtigsten Entscheidungsgremien der AfD, konnte sich nicht auf eine gemeinsame Kampagne verständigen. „Das hat mich am Anfang richtig genervt“, sagt Kunkel dazu.

Im Bundestagswahlkampf greifen einige Landesverbände deswegen auf Motive des bayerischen Landesverbandes zurück. Sie sind weniger heiter – und erinnern an frühere AfD-Plakate. In den verbleibenden Wochen bis zur Bundestagswahl will sich Kunkel auf digitalen Wahlkampf konzentrieren. Plakate seien in der heutigen Zeit nicht mehr so wichtig, sagt er.

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Das AfD-Spitzenpersonal hat sich unterdessen auf eine Art Burgfrieden verständigt. „Bei den Plakaten aus Bayern weiß man: Das ist AfD. Bei Kunkel muss man ein wenig öfter hinschauen“, sagt Spitzenkandidat Alexander Gauland. Er präferiere die Kunkel-Motive, wolle sie aber niemandem aufzwingen. „Das bringt in der anarchischen AfD auch gar nichts“, sagt Gauland. „Es hat keinen Zweck, Kriege zu führen, die man nicht gewinnen kann.“

Petr Bystron, Chef der bayerischen AfD, gibt sich ähnlich gelassen. „Die verschiedenen Plakate sind kein Ausdruck von Streit“, sagt er. Die bayerischen Plakate seien bereits vor den Vorschlägen aus Berlin fertig gewesen. „Auch, weil wir es hier als einzige bundesweit mit der CSU zu tun haben.“ Die Mitglieder könnten nun beide Varianten bestellen. „Das ist also eher Ausdruck gelebter Freiheit als Ausdruck von Streit.“



Wie brüchig dieser Friede sein kann, zeigte sich bei der vergangenen Sitzung des AfD-Vorstandes. Kunkel stellte das neue Plakat mit Frauke Petry und ihrem Säugling vor. Für Kunkel ein Erfolg. Schon vor Wochen hatte er Petry die Idee vorgeschlagen, doch Petry hatte zunächst abgelehnt. Wie Teilnehmer berichten, brach nach der Vorstellung eine Diskussion los.

Auch jetzt gehen die Meinungen auseinander. „Ich finde das Petry-Plakat richtig gut. Das ist feinstes Wahlkampf-Marketing“, sagt Petr Bystron aus Bayern. Alexander Gauland sieht das anders. Das Plakat habe den Nachteil, dass man Kinder besser nicht in den Wahlkampf einführe. „Und das sehe ich auch so.“

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