CDU Laschet und Spahn: Kulant bei Finanzkriminalität

Jens Spahn und Armin Laschet Quelle: dpa

Mit einem Zehn-Punkte-Plan für Deutschland wollen Armin Laschet und Jens Spahn das Rennen um den CDU-Parteivorsitz für sich entscheiden. Ein großes Problemfeld fehlt dabei. Ein Gastbeitrag.

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Zeiten von Wahlen sind Zeiten von Versprechen. In dieser Tradition stellten vor gut einer Woche Armin Laschet und Jens Spahn ihren Zehn-Punkte-Plan für Deutschland vor. Auch dank dieser „Impulse 2021“ wollen sie in wenigen Tagen das Rennen um den CDU-Parteivorsitz für sich entscheiden.

Unter den zehn Punkten befindet sich auch die Maßgabe „Null Toleranz gegen Kriminalität“. Allerdings fehlt neben den richtigerweise genannten Delikten Kindesmissbrauch und Clankriminalität ein großes Problemfeld: die Finanzkriminalität. Das ist nicht nur für den ehemaligen Finanzstaatssekretär Jens Spahn erstaunlich, der von zahlreichen Geldwäschefällen bei deutschen Banken und Anlagebetrug in Milliardenhöhe gehört haben müsste. Auch Armin Laschet müsste als Ministerpräsident von NRW davon gehört haben, dass fast 1000 Beschuldigte wegen Cum-Ex im Fokus der Staatsanwaltschaft Köln stehen. Was muss in Deutschland, so fragt man sich nach dem Fall Wirecard, eigentlich noch passieren, damit auch Finanzkriminalität endlich Erwähnung findet? Halten Laschet und Spahn das alles für Kavaliersdelikte? Oder ist für die Formulierung politischer Ziele die mediale Aufmerksamkeit doch das einzig relevante? Denn da bieten ausländische Clans sicher mehr als weiße Männer in Anzügen.

Doch viel übler als das Nichterwähnen von Finanzkriminalität nehme ich Armin Laschet, dass sein eigenes Agieren in NRW im krassen Widerspruch zu den Ausführungen im 10-Punkte-Plan steht. In dem Plan heißt es wörtlich: „Konsequenter Vollzug: Null-Toleranz bei Kriminalität (...)“ und „Ermittlungsbehörden stärken: mehr Personal (...)“. Die Realität in NRW unter Armin Laschet sieht bei Cum-Ex leider völlig anders aus: Bei der Verfolgung dieser illegalen Geschäfte, die viele der organisierten Kriminalität zuordnen, bleiben die zuständigen Ermittlungsstellen unterbesetzt. Die Taten von Armin Laschet hinken den Worten also meilenweit hinterher.

Gerhard Schick ist ehemaliger Grünen-Bundestagsabgeordneter und Finanzwende-Vorstand. Quelle: PR

Warum? Seit 2013 wird vor allem in Köln zu Cum-Ex ermittelt. Das Bundesland ist für die absolute Mehrzahl der bekannten Tatverdächtigen zuständig. Durch Cum-Ex-Geschäfte wurden dem Fiskus mindestens zehn Milliarden Euro gestohlen. Nimmt man verschiedene andere Varianten hinzu, sind es mindestens 34 Milliarden und es gibt sogar Belege, dass Cum-Ex-ähnliche Geschäfte bis heute laufen können. Von all dem erbeuteten Geld wurde gerade einmal eine Milliarde Euro zurückgeholt. Alle anderen Gelder schlummern noch auf den Konten von zig Tätern. Die Beschuldigten wiederum sind alle noch auf freiem Fuß! Bisher wurden gerade einmal, nach sieben Jahren Ermittlungen, zwei geständige Banker zu Bewährungsstrafen verurteilt.

Nun könnte man schnell denken, die Staatsanwaltschaft arbeite schlecht. Doch dem ist nicht so. Es mangelt schlichtweg an Personal für diese komplexen Fälle. In den Jahren nach 2013 arbeitete zunächst nur eine einzige Staatsanwältin an den Fällen. Starker öffentlicher Druck brachte zunächst NRW-Justizminister Peter Biesenbach dazu, die Zahl der Staatsanwälte auf 15 aufzustocken. Inzwischen hat auch Innenminister Reul eingesehen, dass es Handlungsbedarf gibt und bis zu zusätzliche 40 Stellen angekündigt. Doch Finanzminister Lutz Lienenkämper blockiert noch. Er müsste dringend benötigte Steuerfahnderinnen zur Verfügung stellen. Ministerpräsident Laschet hat es bei diesem Querschnittsthema versäumt, die Zügel in die Hand zu nehmen und rechtzeitig die Behörden zu stärken. Bis heute kann auch von einer effektiven Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden in seinem Bundesland nicht die Rede sein.

So können viele Täter schon jetzt nicht mehr verurteilt werden. Und jeder Tag zählt bei den Ermittlungen, auch wenn zuletzt Verjährungsfristen verlängert wurden und damit manches Problem verschoben wurde: Zum einen sind die Tatverdächtigten irgendwann krank sowie verhandlungsunfähig und können deshalb nicht mehr verurteilt werden. Zum anderen verlieren die Aussagen von Zeugen im Laufe der Zeit an Wert und lange Verfahrensdauern müssen strafmildernd berücksichtigt werden.

Wie ist das also bei Armin Laschet mit „Null-Toleranz“ und „mehr Personal“ in der Realität? Im Oktober letzten Jahres haben wir ihn mit dem Problem konfrontiert und mit der Rückendeckung von fast 60.000 Unterschriften zur Einrichtung einer Soko Cum-Ex und einer deutlichen Aufstockung des Personals unter anderem im Bereich der Steuerfahndung aufgefordert. Geschehen ist von seiner Seite bis heute nichts. Dabei würde sich zusätzliches Personal für die Verfolgung von Cum-Ex-Fällen angesichts der Schadenssumme sogar ökonomisch lohnen.

Und dem Vertrauen in den Rechtsstaat erweist Herr Laschet angesichts der langen Vorgeschichte des politischen Versagens bei Cum-Ex einen Bärendienst. Das Zeichen an die Gesellschaft ist verheerend: Die Organisierte Kriminalität darf den Steuerzahler in Deutschland ausplündern, ohne Konsequenzen des Rechtsstaates zu spüren. Dieser ist einfach zu schwach, das kriminell erworbene Geld zurückzuholen.
Armin Laschet verschließt vor den Problemen bei der Verfolgung der Cum-Ex-Taten die Augen. Sein Kriminalitätsbegriff hat in Bezug auf Finanzkriminalität eine gefährliche Lücke.

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