Debatte um Corona-Eindämmung Vergesst die Impfpflicht! Sie würde nur Märtyrer schaffen

Eine Person hält bei der Kundgebung gegen den Impfdruck und drohenden Impfzwang ein Plakat mit der Aufschrift „Keine Impfpflicht“ hoch. Quelle: imago images

Impfen mit Polizeigewalt? Die Befürworter übersehen die fatalen Folgen für die Akzeptanz des Rechtsstaats und der Demokratie. Es gibt andere Mittel – die vielleicht sogar wirkungsvoller sind. Ein Kommentar.

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Was kann man tun, wenn in weiten Teilen Sachsens und Thüringens die Hälfte der Einwohner das Impfen strikt ablehnt und die Pandemie ernsthaft als Verschwörung von Politik, Pharmaindustrie und anderen „dunklen Mächten“ betrachtet? Überzieht man diese beträchtliche Anzahl von Menschen dann mit einer staatlichen Impfpflicht?

Klingt erst mal gut, oder? Nach dem Motto: Wir lassen uns doch von einer starrköpfigen Minderheit im Osten und anderen Bundesländern nicht auf der Nase herumtanzen! Doch wie endet sie, diese so leichthin geforderte Impfpflicht? Zunächst einmal: Ohne Androhung von Sanktionen passiert sicher gar nichts. Also müssten mit einer robusten Impfpflicht auch Strafen für eine Zuwiderhandlung angedroht – und konsequenterweise auch vollstreckt werden. Sicher werden dann einige Widerständler nachgeben und für den kleinen Piks keine große Geldbuße riskieren. Aber was ist mit den (vielen) hartnäckigen Gegnern? Holt man die Verweigerer dann mit der Polizei ab zur Zwangsimpfung?

Die Bilder einer entsprechenden Berichterstattung kann man sich leicht ausmalen. Gar nicht vorstellen mag man sich allerdings die Welle von Empörung und Wut, die dann in den einschlägigen sozialen Medien und auch in der Wirklichkeit über uns hinwegrollen würde. Aus verurteilten und zur Impfung gezwungenen „Querdenkern“ würden Märtyrer. Und man stelle sich nur einmal vor, dass einer der „Zwangsgeimpften“ anschließend ernsthaft erkrankt oder gar stirbt.



Die Folgen wären verheerend – gerade in Landstrichen, in denen die AfD 25 und mehr Prozent Zustimmung erhält, in denen die Coronaregeln von der örtlichen Polizei durch gezieltes Wegsehen missachtet werden und in denen große Teile der Bevölkerung sich im mindestens passiven Widerstand gegen den Staat und seine Coronaverordnungen befindet. In Gefahr geriete dann nicht nur die Akzeptanz staatlichen Handelns, sondern auch die Anerkennung der Demokratie und ihrer Grundsätze. Der Glaube an den Rechtsstaat ist in manchen Gegenden bereits nachhaltig erschüttert und die Zahl der Radikalen wächst bedrohlich schnell. Wenn die Demokratie nicht dauerhaft einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung verlieren will, müssen wir die Impfpflicht wieder vergessen. Mit Zwang bringt man die Gegner eben nicht zur Räson, sondern treibt sie nur in den Widerstand und in die Hände der Extremisten.

Ansetzen kann man an anderer Stelle: Konsequentes 2G, also eine Verengung der öffentlichen Räume und vor allen Dingen striktes 2G am Arbeitsplatz, notfalls mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen und einer 6-Wochen-Sperre beim Bezug von Arbeitslosengeld. Das schafft auch Druck, meinetwegen auch indirekten Zwang, aber eben keine hässlichen Bilder und vor allem keine Märtyrer.

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