Corona-Horrorszenario Dresden mietet riesige Lagerhalle für 400 Särge an

Quelle: dpa

Die Landesregierung Sachsen bereitet sich angesichts der sprunghaft gestiegenen Infektionszahlen auf das Schlimmste vor. Die Intensivbetten sind voll. Der Höhepunkt der vierten Welle wird an Weihnachten erreicht.

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Klar, in Bayern und Thüringen sind die Infektionszahlen auch sehr hoch, aber nirgendwo in Deutschland ist es schlimmer als im Freistaat Sachsen. In Städten wie Chemnitz ist inzwischen fast jeder zehnte Einwohner infiziert worden, in kleinen Ortschaften auf dem Land und im Erzgebirge sind die Zahlen teilweise noch höher.

Die Landesregierung von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) rechnet mit dem Schlimmsten: Die Betten in den Intensivstationen der sächsischen Krankenhäuser sind voll und es werden mit Hilfe der Bundeswehr immer mehr Coronapatienten in andere Bundesländer verlegt. Die Behörden in Sachsen rechnen damit, dass bei anhaltendem Infektionsgeschehen im Laufe der nächsten Tage mehr als 200 Intensivpatienten in andere Hospitäler gebracht werden müssen.

Wie schlimm die Erwartungen an die weitere Ausbreitung des Coronavirus sind, zeigt die Tatsache, dass die Landeshauptstadt Dresden jetzt eine große Halle angemietet hat, um bis zu 400 Särge dort stapeln zu können. Der Grund: Das örtliche Krematorium kommt mit der Arbeit nicht nach. Bis zu 80 Toten täglich verzeichnet die Stadtverwaltung derzeit. Rund die Hälfte der Landesbevölkerung in Sachsen ist noch nicht geimpft – in keinem anderen Bundesland ist die Quote der Impfgegner und Verweigerer höher.

Verschwörungstheorien werden geglaubt

Große Sorge bereitet der Landesregierung auch, dass nach Analyse von Experten in weiten Kreisen der Bevölkerung mittlerweile die ernsthafte Ansicht herrscht, die Impfung sei eine konzertierte Aktion von Politik und Pharmaindustrie. Bei der großen Gruppe der Impfgegner würden aufgrund der Chats und Debatten in entsprechenden Netzwerken selbst die absurdesten Verschwörungstheorien mittlerweile für bare Münze genommen, sagt ein führendes Mitglied der Landesregierung.

Ministerpräsident Kretschmer hatte deshalb bereits gesetzliche Maßnahmen gefordert; vor allem der Messengerdienst Telegram ist ihm als wichtiger Transporteur solcher Verschwörungsgeschichten ein Dorn im Auge. Ein erster Vorstoß Kretschmers scheiterte jedoch schon am designierten Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Der Liberale steht solchen Einschränkungen skeptisch gegenüber – ein entsprechender Streit zwischen Bund und Ländern in dieser Frage ist absehbar.

Als die Stadtverwaltung Dresden die neuen Einschränkungen per Facebook mitteilte, sammelt sich in kürzester Zeit hunderte Posts mit Hass, Aufrufen zur Gewalt, Beschimpfungen, Antisemitismus, Verschwörungstheorien und Verharmlosungen des Coronavirus.

Diese Stimmung in weiten Teilen der Bevölkerung führt auch zu ernsthaften Vollzugsdefiziten. Nach Erkenntnissen der Landesregierung werden die Coronaregeln immer häufiger missachtet – auch weil die örtliche Polizei vor allem auf dem Land nicht häufig genug einschreite oder „bewusst wegsehe“, wie ein Insider sagt. Entsprechend lax seien auch die Kontrollen in Restaurants und öffentlich zugänglichen Orten. Die Landesregierung nimmt den Zustand wachsender Rechtlosigkeit inzwischen so ernst, dass sie die Bereitschaftspolizei aussenden will, damit diese vor Ort durchgreift – ein einmaliger Vorgang, der ein schlechtes Licht auf die Polizei in den Dörfern und Kleinstädten wirft.

Zu wenig Intensivbetten

Auch der Chef des Robert Koch-Instituts Lothar Wieler und der scheidende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeichneten am Freitag ein düsteres Bild von der Lage. Deutschland werde die kritische Zahl von 5000 Covid-Intensivpatienten „deutlich“ übersteigen, auch noch in den nächsten Wochen und Monaten. Selbst wenn die von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen greifen, erreiche die vierte Welle nach den Worten von Spahn ausgerechnet an Weihnachten „ihren traurigen Höhepunkt“.

Mehr zum Thema: Lockdowns, Impfkampagnen und Herdenimmunitätspläne werden immer wieder kritisch hinterfragt. Die Chefin von Europas Infektionsschutzbehörde, Andrea Ammon, nennt die erfolgreichsten Strategien raus aus der Coronapandemie.

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