Der Fall Amri Union offen für Untersuchungsausschuss

Ermittler hatten Anis Amri schon monatelang dem Schirm. Trotzdem konnte der Tunesier in Berlin ein Blutbad anrichten. Die Union kann sich vorstellen, den Fall in einem Untersuchungsausschuss des Bundestages aufzuklären.

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Die Union will aufklären, ob es im Fall Amri tatsächlich Versäumnisse der Behörden gab. Quelle: Reuters

Perl Die Union kann sich vorstellen, die Vorwürfe im Fall des Attentäters vom Berliner Weihnachtsmarkt in einem Untersuchungsausschuss des Bundestages aufzuklären. Einen entsprechenden Vorschlag werde Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) seinem SPD-Kollegen Thomas Oppermann machen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Rande der Klausur der CDU-Spitze im saarländischen Perl aus Unionskreisen.

Der 24-jährige Tunesier Anis Amri hatte am 19. Dezember einen Lastwagen in einen Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gesteuert, 12 Menschen getötet und mehr als 50 verletzt. Der Islamist war wenige Tage später bei einer Polizeikontrolle in Mailand erschossen worden.

Zur Begründung für einen Untersuchungsausschuss hieß es aus der Unionsfraktion, das Thema müsse in dem von der Verfassung für solche Fälle vorgesehenen Gremium aufgearbeitet werden. Das diene auch dem Schutz der Sicherheitsbehörden und sei in deren eigenem Interesse. Es gebe viele Spekulationen über mögliches Fehlverhalten der Behörden. Nun müsse klargestellt werden, ob es tatsächlich Versäumnisse gegeben habe.

Zudem müsse dann auf parlamentarischer Ebene gegebenenfalls über Schlussfolgerungen beraten werden. Dazu gehörten auch mögliche Versäumnisse in den mit dem Fall befassten Ländern.

Amri war nicht nur Bundesbehörden wie dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst als möglicher Gefährder bekannt, der jederzeit einen Anschlag in Deutschland verüben könnte. Auch die Ausländerbehörden hatten sich lange Zeit mit dem unter zahlreichen falschen Namen auftretenden Tunesier beschäftigt. Eine geplante Ausweisung in sein Heimatland scheiterte allerdings an fehlenden Personalunterlagen aus Tunesien.

Ermittler waren dem Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vor seinem Anschlag über Monate hinweg deutschlandweit auf der Spur, wussten um seine Besuche in Salafisten-Moscheen und kannten den abgelehnten Asylbewerber unter mindestens 14 verschiedenen Namen. Zudem gab es Warnungen eines marokkanischen Geheimdienstes, Amri plane einen Anschlag.

Die Linken haben bereits einen Untersuchungsausschuss des Bundestages gefordert. Mitte Januar befassen sich die Geheimdienst-Kontrolleure des Parlaments erstmals offiziell mit dem Fall.

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte Mitte der Woche einen Sonderermittler auf Bundesebene ins Gespräch gebracht. Für einen Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags reiche die Zeit bis zum Ende der Wahlperiode im Mai dagegen nicht mehr aus, sagte sie.

Amri hatte sich lange in NRW aufgehalten, bevor er nach Berlin kam. Er war zwar als islamistischer Gefährder eingestuft worden, die zuständige Ausländerbehörde in Kleve versuchte aber vergeblich, ihn abzuschieben.


„Er war kein V-Mann“

Die nordrhein-westfälische Landesregierung wies am Samstag Medienberichte zurück, wonach Amri ein V-Mann des Landesverfassungsschutzes gewesen sein könnte. „Er war kein V-Mann“, sagte ein Sprecher. Die CDU-Landtagsfraktion hatte zuvor eine entsprechende Anfrage an die Landesregierung gestellt.

„Es ist ein Punkt unseres Fragenkatalogs an das Innenministerium“, bestätigte ein CDU-Fraktionssprecher. Medien hatten zuvor die Frage aufgeworfen, ob eine Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz vielleicht die Erklärung dafür sein könnte, dass Anis Amri von den Sicherheitsbehörden nicht rechtzeitig gestoppt wurde.

Der 24 Jahre alte Tunesier war von mehreren Behörden als islamistischer Gefährder eingestuft worden. Dennoch war es ihm möglich, am 19. Dezember einen Lastwagen in einen Berliner Weihnachtsmarkt zu steuern und zwölf Menschen zu töten.

Über die CDU-Anfrage an die Landesregierung hatte am Samstag Bild.de berichtet.

Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Armin Laschet erhob im Fall Amri erneut schwere Vorwürfe gegen die rot-grüne Koalition in Düsseldorf, die sich im Mai zur Wiederwahl stellt. „Die Landesregierung in NRW hat es sträflich versäumt, hier die ausländerrechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um diesen Attentäter zu stoppen“, sagte Laschet den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“ (Samstag).

Die Hauptverantwortung dafür trage Innenminister Ralf Jäger (SPD). „Der NRW-Innenminister als oberste Landesbehörde hätte effektive Maßnahmen gegen Amri ergreifen müssen.“ Indirekt forderte Laschet die Abberufung Jägers durch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: „Wenn Frau Kraft keinen besseren für die Innere Sicherheit findet als Herrn Jäger, ist das ein Armutszeugnis für die SPD und ihr persönliches Problem.“

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