Digitalisierung Deutschland ist bei Start-ups im Blindflug unterwegs

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EU beklagt „erhebliche Unterinvestitionen“

In Europa werde „nur die Hälfte des Potenzials der innovationsfördernden Auftragsvergabe“ genutzt, kritisiert die Kommission. Gerade bei digitalen Lösungen sowie in Forschung und Entwicklung gehe es darum, die „strategische Unabhängigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der EU“ zu stärken. Hier seien jedoch „erhebliche Unterinvestitionen“ zu verzeichnen, wie die Benchmarking-Studie der Kommission zeige.

Öffentliche Auftraggeber müssten deshalb „die innovationsfördernde Auftragsvergabe ankurbeln“ und Unternehmen dabei unterstützen, innovative Lösungen in wichtigen industriellen Ökosystemen zu entwickeln, insbesondere in den Bereichen, „in denen öffentliche Auftraggeber entscheidende Investoren sind“.

Deutschland belegt in der EU-Benchmarking-Studie unter den 27 Mitgliedstaaten den zehnten Platz. Start-ups sowie kleine und mittelständische Unternehmen stehen auch hierzulande vor der Herausforderung, weder die Kapazitäten noch eine Erfolgsbilanz vorzuweisen, die von öffentlichen Auftraggebern oft verlangt wird.

Weniger Bürokratie bringt noch keinen Auftrag

Zwar hat die EU bereits die Vorschriften für diese Anforderungen dahingehend vereinfacht, dass Bewerber in einer Eigenerklärung angeben können, ob sie sämtliche verwaltungstechnische Anforderungen erfüllen – doch weniger Bürokratie allein bringt noch kein Start-up in die Auftragsvergabe.

„Die künftige Bundesregierung sollte in den ersten 100 Tagen eine umfassende Start-up-Strategie in Angriff nehmen“, fordert deshalb Christian Miele, Chef des Bundesverbands Deutsche Startups. Ziel müsse auch sein, „das Innovationspotential öffentlicher Ausschreibungen zu heben“.

Beispielsweise sei die öffentliche Hand zwar der größte IT-Einkäufer in Deutschland, bisher würde Start-ups jedoch häufig „der Zugang versperrt, weil die Ausschreibungen Start-up-spezifische Besonderheiten außer Acht lassen“. Wenn Eignungsanforderungen angepasst und verstärkt auf Innovationspartnerschaften gesetzt werde, könne „kurzfristig und ohne rechtliche Anpassungen Abhilfe geschaffen werden“, erklärt Miele. Öffentliche Auftragsvergabe an Start-ups sei „Innovationspolitik“ quasi „zum Nulltarif“.

Parteien wollen Vergabeverfahren erleichtern

Tatsächlich wollen Parteien die Vergabeverfahren für Start-ups nach der Bundestagswahl erleichtern. Die Grünen wollen eine „Gründungsoffensive“ angehen, die SPD will die öffentliche Beschaffung so ausrichten, „dass sie Innovationsimpulse setzt und den Zielen des sozial-ökologischen Wandels dient“.

Die FDP will sich beispielsweise im Gesundheitswesen für eine „unbürokratischer Vergabe von Fördergeldern, gerade an Start-ups“ einsetzen. Die Union plant in ihrem 25-Punkte-Programm zur Digitalisierung eine Strategie, um Deep-Tech-Start-ups „durch staatliche Aufträge groß“ zu machen  

Start-ups und Verwaltung vernetzen 

Aber neben den Rahmenbedingungen sei die öffentliche Auftragsvergabe auch „eine Frage der Mentalität“, erklärt Miele: „Wir brauchen Lust auf Fortschritt und Innovation in der Verwaltung“, fordert er, „dafür sollten wir die Vernetzung zwischen Verwaltung und Start-ups vorantreiben, um das gegenseitige Verständnis zu fördern“.  

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Damit das gelingen kann, muss die neue Regierung aber wohl schleunigst für sich klären, was überhaupt ein Start-up ist.

Mehr zum Thema: Mehr Wagnis wagen – das war die Hoffnung, als die Regierung zwei Innovationsagenturen aufsetzte. Doch während das US-Vorbild Darpa mit weiteren Milliarden gefüttert wird, drohen die deutschen Nachahmerprojekte im Paragrafendickicht zu ersticken.

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