Einstellungspolitik des BAMF „Der Bundesregierung droht ein massiver Glaubwürdigkeitsverlust“

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„Bundesregierung droht massiver Glaubwürdigkeitsverlust“

Ob die Bundesregierung den Mehrbedarf im Bundeshaushaltsgesetz berücksichtigt, zeigt sich im Herbst. Im BAMF zweifeln viele daran. Solange es das Gesetz noch zulässt, will das Bundesamt deswegen seinen Personalbedarf mit sachgrundlos befristeten Mitarbeitern decken. Das ist notwendig, wie aus einer internen Aufstellung hervorgeht, die auf Januar 2018 datiert und mit „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichnet ist: „Der Arbeitskräftebedarf des BAMF liegt über der vom Parlament mit Haushaltsgesetz zugewiesenen Anzahl von Personalstellen, es sind aber Geldmittel vorhanden, um befristet Personal einzustellen – dieser zusätzliche Einsatz von befristeten Arbeitskräften ist erforderlich.“

Entsprechend schreibt die Behörde aktuell 600 auf zwei Jahre sachgrundlos befristete Stellen aus. Über den Vorgang berichtete zuerst die „Süddeutsche Zeitung“. Obwohl es dem erklärten Ziel der Bundesregierung zuwiderläuft, goutiert das BMI dieses Vorgehen und stellt finanzielle Mittel zur Verfügung: „Das BMI ist im Rahmen seiner Aufsicht in diesen Vorgang eingebunden“, antwortet eine Sprecherin des Innenministeriums auf eine Anfrage der WirtschaftsWoche.

Der Personalrat klagt gegen die Einstellungen

Aus Sicht des Gesamtpersonalrats (GPR) des BAMF sind diese Neueinstellungen rechtswidrig. Deswegen weigert er sich aktuell ihnen zuzustimmen. Die ausgeschriebenen Stellen hätten zuerst den befristet Beschäftigten angeboten werden müssen, die das Amt dann mit Sachgrund befristet weiterbeschäftigen könnte, argumentiert der GPR. Wenn die Amtsleitung behauptet, es handelt sich um einen temporären Bedarf, stellt das laut Personalrat einen Sachgrund nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz dar. Mit Sachgrund befristete Verträge sind beim BAMF allerdings die Ausnahme. Zum 5. März sind gerade einmal 37 Mitarbeiter mit Sachgrund befristet beschäftigt.

Das BAMF weist die Argumente des GPR als „rechtlich unbeachtlich“ zurück und stellt trotz des Vetos weiter sachgrundlos befristete Mitarbeiter ein. Ob dies nun rechtens ist oder nicht, klärt das Verwaltungsgericht Ansbach voraussichtlich im April. Sollte es dem BAMF Recht geben, hätte die Behörde zumindest für zwei weitere Jahre das zusätzliche Personal.

Mehr als 600.000 Asylverfahren hat das BAMF 2017 entschieden. Interne Dokumente und Mails zeigen, dass das Bundesamt über Monate darauf gedrillt war, diese Zahl zu produzieren – auf Kosten der Qualität der Entscheide.
von Niklas Dummer

Auch in der Politik stößt die Einstellungspraxis des BAMF auf Skepsis. In einem Brief an den neuen Bundesinnenminister Horst Seehofer schreibt Angelika Weikert, die für die SPD im bayerischen Landtag sitzt: Es sei paradox, dass gut eingearbeitete und bewährte Kräfte durch neue, unerfahrene Mitarbeiter ersetzt würden. „Die von der Bundesregierung ausgegebenen Zielvorgaben, die Bearbeitungszeit für neu gestellte Asylanträge weiter zu verkürzen und gleichzeitig die Qualität der Entscheidungen zu steigern, drohen auf diese Weise deutlich später erreicht zu werden.“

Der Brief datiert vom 15. März und liegt der WirtschaftsWoche vor. „Zudem droht auch der neuen Bundesregierung ein massiver Glaubwürdigkeitsverlust, da die aktuelle Vorgehensweise des BAMF deren politische Ziele aushebelt und Fakten schafft“, schreibt Weikert weiter. Das BMI nimmt das offenbar in Kauf.

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