Energiepolitik Längere Laufzeiten allein reichen nicht

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Kapazität und Kosten

Was Friedrich nicht sagt: Die Attacke ist schon in Arbeit. Der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer prüft derzeit eine Normenkontrollklage gegen das Ausstiegsgesetz. Käme das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, die damalige Änderung des Atomgesetzes hätte der Zustimmung der Länder bedurft, wäre das Paragrafenwerk grundgesetzwidrig zustande gekommen – und damit nichtig.

Derzeit setzen die Atomfans auf ein Karlsruher Urteil zum Luftsicherheitsgesetz, das vorvergangene Woche bekannt wurde. „Die bloß quantitative Erhöhung der Aufgabenlast genügt dazu aber grundsätzlich nicht“, lehnten die Richter zu viel Mitsprache des Bundesrates ab. Die logische Schlussfolgerung der Nuklearfraktion: Mit längeren Laufzeiten müssten die Aufsichtsbehörden eben nur mehr kontrollieren, aber nicht anders.

Rahmenbedingungen für Kernkraft weiterentwickeln

Schützenhilfe für die AKW-Betreiber kommt aus Brüssel. Die EU-Kommission ist überzeugt, dass die Klimaziele nur mit Nuklearenergie zu erreichen seien. „Die Kernkraft wird auch in den kommenden Jahren eine zentrale Rolle dabei spielen, wenn wir unseren Energiebedarf mit weniger Treibhausgasen decken wollen“, sagt Energiekommissar Oettinger. „Ich bin mir mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso einig, die europäischen Rahmenbedingungen für die Kernkraft entschlossen weiterzuentwickeln.“ Demnächst wird Oettinger eine Richtlinie zur Entsorgung nuklearer Abfälle vorlegen.

Zudem hat der Europäische Gerichtshof den Brüsseler Einfluss in der Nuklearenergie in jüngster Zeit gestärkt. „Es ist zu erwarten, dass sich die Europäisierung der Kernenergie fortsetzen wird“, prognostiziert Wolf Spieth, Energieexperte der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.

Vertrauensvorschuss für die Politik

Doch bisher hat die EU-Kommission keinen Hebel, Deutschland zur Verlängerung der Laufzeiten zu zwingen – zumal es sich auf gutem Wege befindet, die Klimaschutzvorgaben zu erfüllen. Das Bundesumweltministerium reichte in Brüssel eine Schätzung ein, wonach bis zum Zieljahr 2020 der Anteil der erneuerbaren Energie 18,7 Prozent betragen wird – also knapp über der Zielmarke 18 Prozent.

Für die Energieversorger kommt es nun vor allem darauf an, wie weit sie den geplanten politischen Vorgaben glauben wollen. „Es gab vonseiten der Versorger einen Vertrauensvorschuss für die Politik“, blickt RWE-Vorstand Birnbaum auf die rot-grüne Koalition zurück. „Deshalb haben wir damals dem Ausstieg aus der Kernenergie zugestimmt, den wir sachlich für falsch hielten.“ Die von der bürgerlichen Koalition geplante Brennelementsteuer sieht die Branche dagegen als Verstoß gegen den Ausstiegspakt. „Wenn jetzt doch wieder neue Belastungen hinzukommen, die damals ausdrücklich ausgeschlossen wurden, ist der Vertrauensschutz für Unternehmen nichts mehr wert. Dann können wir nicht so viel in Deutschland investieren.“

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