Festspielhaus Baden-Baden „Ohne Corona-Hilfen gäbe es uns nicht mehr“

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3. Das Prinzip Familienunternehmen

Wenn das mehr nach einem Wirtschafts- als nach einem Kulturbetrieb klingt, ist das gewollt: Bevor sie nach Baden-Baden wechselte, leitete Ursula Koners an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen das Institut für Familienunternehmen. Intendant Stampa und sich selbst vergleicht sie mit Fremdgeschäftsführern in einem Familienunternehmen

Weitere Ähnlichkeiten, die Koners ausmacht: Auch das Festspielhaus sei regional verankert – und wolle internationale Strahlkraft entfalten. „Und natürlich haben wir unendlich viele Digitalisierungsthemen in unseren Arbeitsabläufen“, ergänzt sie.

Der Stiftungsrat wiederum wirke analog zu einer Gesellschafterversammlung. „Dass wir gezwungen sind, schneller zu diskutieren und mehr Leuten Rechenschaft abzugeben, macht uns innovativer“, glaubt Intendant Stampa.

Seit 2019 leitet Intendant Benedikt Stampa gemeinsam mit Geschäftsführerin Ursula Koners das Festspielhaus Baden-Baden. Quelle: PR

Historisch betrachtet seien große Opernhäuser in ihren Ursprüngen private Unternehmen gewesen. Seine Rolle unternehmerisch zu verstehen, kokettiert er, sei ihm lieber als das, was er die typisch deutsche Intendantenposition nennt: „Der Intendant kommt gleich nach Gott. Und alle folgen ihm.“

4. Die Mitarbeiter 

Das Festspielhaus Baden-Baden sei näher am Markt als andere Häuser, das erkennen auch Wettbewerber an. Über die Jahre haben die Vermarktungsleute des Hauses 35 Kundengruppen definiert. Man wisse, wie oft jemand wann im Jahr welche Aufführungen, Plätze und Preiskategorien wähle – und das, obwohl es keine Abonnements gibt. „Die Frage ist: Wartet die Kultur passiv, dass die Menschen kommen? Oder macht sie ihnen Angebote?“, sagt Stampa.

Trotzdem, gesteht der Intendant ein, sei auch in Baden-Baden das Publikum nicht besonders divers: zwischen 55 und 65, weiß, akademische obere Mittelschicht. Kaufmännisch betrachtet sei der Markt gerade brillant: Die Babyboomer verfügten über das Geld, um Tickets zu kaufen, und bald, wenn sie in Rente gehen, auch über noch mehr Zeit, es auszugeben. Die nächste Generation zu erreichen, ist und bleibt schwieriger.

5. Die Kunst der Pause

Stampa hat den milliardenschweren Klassikmarkt vor der Pandemie als „sehr überhitzt“ empfunden, der Starrummel, der Hang zum Event. Vielen Häusern habe gedroht, in einem ständigen Überbietungswettbewerb ihr Profil zu verlieren. Dazu die Menge an Aufführungen, gerade in Metropolen: „Wer soll 600 Veranstaltungen im Jahr in einem Haus gucken?“, fragt er, und seine Antwort schwingt mit: natürlich niemand.

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Nun hat Stampa den Vorteil, dass ein Festspielhaus, anders als beispielsweise ein Staatstheater, per Definition nicht an (fast) jedem Tag spielen muss. Auch mal Ruhe und Pausen zulassen kann. Er will sich trotzdem weiter spezialisieren und mehr echte Festwochen übers Jahr verteilen – für die Auftretende und Publikum dann mehrere Tage vor Ort bleiben. Das gebe Raum für kulturelle Verbindungen, für Relevanz. Die Stars kämen ja weiterhin.

Mehr zum Thema: Dieser Artikel ist Teil einer Serie zur Bundestagswahl 2021. Wir folgen der längsten IC-Strecke Deutschlands vom Südwesten bis in den Nordosten. Nächster Halt: Aufbruch – Fahrt durch eine unterschätzte Republik

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