Flüchtlinge Hass und Hetze gegen Flüchtlingshelfer

Sie engagieren sich für Flüchtlinge – und werden dafür beschimpft, bedroht oder gar angegriffen. Für viele Freiwillige sind Hass-Mails oder gar Morddrohungen Alltag. Eine Helferin stellt klare Forderungen an die Politik.

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Viele Ehrenamtliche in Flüchtlingsunterkünften berichten von Anfeindungen von Rechten. Quelle: dpa

Berlin Hass-Mails und Morddrohungen ist Mareike Geiling gewöhnt. „Diese wertlosen Untermenschen. Alle ins Gas mit Ihnen!“ war etwa auf Facebook zu lesen. Darunter sind Fotos von Geiling und ihren Mitstreitern der Berliner Initiative „Flüchtlinge Willkommen“ zu sehen. Für die junge Frau sind Hass-Kommentare wie diese Alltag, seit sie vor eineinhalb Jahren die Organisation gründete, die heute in mehr als 20 Städten in Deutschland Flüchtlingen ein Zuhause vermittelt. „Für uns ist das inzwischen komplett normal.“

Immer wieder müssen ehrenamtliche Helfer Anfeindungen ertragen, wenn sie sich für Flüchtlinge einsetzen. Nach den Ausschreitungen im sächsischen Heidenau wurden Helfern Sätze wie „Schämt euch, dass ihr helft“ entgegengeschleudert, wie Dieter Schütz vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) erzählt. In den letzten Wochen habe es aber keine solchen Vorfälle mehr gegeben. Bundesweit sind rund 20.000 ehrenamtliche Flüchtlingshelfer für das DRK im Einsatz. „Gerade in Sachsen wird das teils aggressive Umfeld oft als große Belastung empfunden“, sagt Schütz.

Und nicht immer bleibt es bei Worten oder Drohbriefen. In Halberstadt in Sachsen-Anhalt wurden DRK-Helfer bei einem Übergriff auf eine Asylbewerberunterkunft von Jugendlichen mit Steinen beworfen. Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) waren im sächsischen Niederau von rechtsradikalen Demonstranten bedrängt und beschimpft worden. In Brandenburg sorgte ein Brandanschlag auf den Bus eines Ehepaars, das sich für Flüchtlinge einsetzt, für Entsetzen. Für das Innenministerium in Potsdam ist der Fall Ausdruck dafür, dass die rechte Szene die steigenden Asylbewerberzahlen für ihre Propaganda instrumentalisiert und dabei auch vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckt. „Weitere Straftaten zum Nachteil von Flüchtlingsunterstützern sind leider nicht auszuschließen“, heißt es.

Mit Zahlen belegen lassen sich Gewalt und Anfeindungen gegen Helfer über die einzelnen Fälle hinaus allerdings kaum. Erst seit Januar 2016 werden Straftaten gegen Hilfsorganisationen und freiwillige Helfer in Statistiken als eigene Kategorie erfasst, Zahlen liegen in den meisten Bundesländern noch nicht vor.


„Das sind Neonazis, Rechtsradikale, Rassisten“

Einzig in Brandenburg gibt es Fallzahlen der vergangenen Jahre. Die zeigen das Problem dafür umso eindrücklicher: In den Jahren 2010 bis 2013 wurden dem Landeskriminalamt keine, 2014 zwei Straftaten gegen Flüchtlingshelfer gemeldet. 2015 kletterte die Zahl dann auf 22 – vor allem Fälle von Bedrohung, Volksverhetzung und Beleidigung, aber auch zweimal Körperverletzung.

Von zahlreichen Briefen und Mails mit Beleidigungen berichtet auch Bernd Drüke von der Koordinierungsstelle für den ehrenamtlichen Einsatz in der Flüchtlingshilfe in Rheinland-Pfalz. Er habe den Eindruck: „Es nimmt schon zu.“ Nina Gartenbach, ebenfalls von der Koordinierungsstelle, bemerkt im alltäglichen Umgang, dass man sich rechtfertigen müsse für die Unterstützung von Flüchtlingen. „Da ist doch etwas verkehrt, wenn Menschlichkeit in Frage gestellt wird.“

Für Mareike Geiling sind dabei nicht einmal die persönlichen Anfeindungen das Schlimmste – die versucht sie schnell zu verdrängen. „Ich bin immer wieder schockiert, wie verbreitet dieses rechte Gedankengut in der Gesellschaft ist.“ Für sie ist klar: „Das sind Neonazis, Rechtsradikale, Rassisten.“ Die Politik sollte nicht zögern, sie auch so zu nennen.

Erstaunt hat sie auch, wie viel Aufwand manche für ihre Hass-Nachrichten betreiben. Ende des vergangenen Jahres veröffentlichte ein Unbekannter eine gefälschte Todesanzeige von „Flüchtlinge Willkommen“-Mitbegründer Jonas Kokoschka auf Facebook. „Echt krass, wie viel Zeit der da reingesteckt hat“, sagt Geiling.

Angst um ihre Sicherheit hat sie zwar nicht. Doch Geiling und ihre Mitstreiter sind vorsichtig geworden. Auf der Homepage der Initiative steht keine Adresse mehr. Von der Straße aus sei das Büro der Flüchtlingshelfer nicht zu erkennen. Ihren Einsatz für Menschen in Not sollen Hass und Hetze aber auf keinen Fall beeinträchtigen.

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