Freytags-Frage

Brauchen wir das Staatsfernsehen noch?

Griechenland schaltet sein Staatsfernsehen ab. Die Kritik in Europa ist groß. Warum eigentlich?

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Nachrichtensprecher im Studio des griechischen Senders ERT Quelle: dpa

Die Nachricht kam wie ein Schock. Das griechische Staatsfernsehen ERT wurde abgeschaltet, und die Mitarbeiter sollen bereits entlassen worden sein. Der Grund für diesen drastischen Schritt liegt den Nachrichten zufolge in der unsoliden Haushaltsführung des Senders. Ein neuer – schlanker Sender soll entstehen. Dabei soll dem Vernehmen nach ausgerechnet das deutsche System als Vorbild dienen. Das ist natürlich Unsinn.

Betrachtet man schon die Zahlen, so liegen die Kosten des öffentlichen Rundfunks und Fernsehens in Griechenland pro Kopf der Bevölkerung bei etwa einem Viertel der Kosten des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Bereinigt man diese Zahlen noch um das Pro-Kopf-Einkommen bzw. deren Unterschiede, so dürfte das deutsche System immer noch doppelt so teuer sein. Das hat wenig mit Qualität und viel mit Rent-Seeking zu tun.

Über die Qualität des griechischen Staatsfernsehens dagegen kann der Kolumnist nur spekulieren; aber so schlecht soll es dem Vernehmen nicht sein, wenigstens im Vergleich zu den privaten Sendern dort. Das gleiche Argument wird übrigens hier auch ständig angebracht. Es weist aber – wenigstens hierzulande – einen schwerwiegenden Schwachpunkt auf, den Ökonomen als Lucas-Kritik bezeichnen.

Denn das private Fernsehen muss (eben weil es privat finanziert ist) viel stärker auf die Kosten einerseits und auf die Quote andererseits achten. Je stärker die öffentlich-rechtliche Konkurrenz in den Gefilden des Massenfernsehens wildert (Stichworte sind Sportübertragungen, Volksmusik, Endlos-Soaps, billige Schmachtfetzen von Rosamunde Pilcher und vieles mehr), desto mehr muss die private Konkurrenz auf Masse setzen.

Gäbe es die öffentlich-rechtliche Konkurrenz nicht, könnten die Privaten hingegen Qualität produzieren. Tun sie es tatsächlich einmal, versuchen ARD und ZDF alles, die Protagonisten dieser Qualität zu verpflichten. Die Lucas- Kritik besteht also darin, dass ein im Grunde unzulässiger Vergleich vorgenommen wird. Korrekt wäre es, die Qualität der Privaten bei Abwesenheit eines staatlichen Anbieters zu betrachten. Ein Blick auf den Zeitungsmarkt – ohne staatliche Anbieter – legt nahe, eine höhere Qualität als gegenwärtig geboten zu erwarten. Ob es gleich dazu reicht, manch gute Sendung auf den öffentlichen Spartensendern (doch, die gibt es auch) zu verdrängen, mag dennoch bezweifelt werden. Allerdings kann man ja nun auch nicht ernsthaft behaupten, dass die öffentlich-rechtlichen Sender nur Qualität anbieten. So stellt die Sportschau z.B. keinen echten kritischen Sportjournalismus dar, ist sie doch eher zu einer Art Hofberichterstattung geworden.

Parteien sitzen bei ARD und ZDF in der ersten Reihe

Die finsteren Kanäle von ARD und ZDF
Am Dienstag haben ARD, ZDF und Deutschlandradio einen erhöhten Finanzbedarf für die Beitragsperiode 2013 bis 2016 angemeldet. Den öffentlichen Anstalten fehlen 83 Millionen Euro pro Jahr. Die Summe entspricht einem Prozent des Gesamtbudgets aller Sender, erklärten die öffentlich-rechtlichen Anstalten in einer gemeinsamen Mitteilung, ohne das Gesamtvolumen exakt zu benennen. Das sei die niedrigste Bedarfsanmeldung der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dabei hat die ARD schon Sparmaßnahmen durchgeführt. Trotzdem sind die Mehrausgaben im Programm- und Personalbereich um 1,1 Prozent und entsprechend 2,3 Prozent gestiegen. Für die Beitragszahler bedeutet das: Bis Ende 2014 wird der Beitragssatz bei 17,98 Euro pro Wohnung bleiben. Was danach passiert, ist offen. Spätestens im Frühjahr werden sie wissen, ob sie 2015 mehr Geld zahlen müssen - oder nicht. Quelle: dpa
Geld für SportJürgen Emig, der Ex-Sportchef des Hessischen Rundfunks, kassierte für angebliche Produktionskostenzuschüsse von Sportveranstaltern wie beim Radklassiker „Rund um den Henninger Turm“. 2008 wurde er wegen Bestechlichkeit und Untreue zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt und muss 1,1 Millionen Euro zurückzahlen. Quelle: dpa
„Wetten, dass..?“Christoph Gottschalk, Bruder des TV-Moderators Thomas, soll ohne Wissen des ZDF Millionen verdient haben, indem seine Firma Dolce Media Werbung für Unternehmen wie Daimler in der TV-Show unterbrachte. Thomas Gottschalk selbst wies Schleichwerbungs-Vorwürfe zurück. Quelle: dpa
Dicke Freunde„Fernsehgarten“-Moderatorin Andrea Kiewel muss 2007 beim ZDF gehen, weil sie PR-Verträge mit einer Diätproduktefirma hatte und deren Produkte vor der Kamera lobte. Inzwischen moderiert sie wieder. Quelle: AP
VetternwirtschaftUnter Pseudonym verkaufte Doris Heinze Drehbücher („Die Freundin der Tochter“) an den NDR. Der Haken: Zugleich war sie dort Fernsehspielchefin war. 2009 musste sie gehen. Quelle: dpa
Viel StoffAnfang 2012 geht Hans-Wolfgang Jurgan als Chef der ARD-Filmeinkaufsfirma Degeto, weil er das komplette Budget bis 2014 verplante, ohne dass Kontrollinstanzen einschritten. Die ARD muss bei der Degeto 24 Millionen Euro nachschießen. Quelle: dpa
KinderkanalEin im Sommer 2012 zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilter Ex-Herstellungsleiter des Kinderkanals zweigte jahrelang über Scheinrechnungen Millionen Euro ab. Der Fall ist jedoch noch nicht komplett aufgearbeitet. Die Erfurter Staatsanwaltschaft ermittelt aktuell gegen vier Beschuldigte, darunter auch gegen den bereits Verurteilten. Quelle: dpa

Was also ist zu tun? Die öffentlich-rechtlichen Sender (ÖR) gleich vollständig abzuschalten, wäre dann doch wohl etwas einfach. Erstens ist der griechische Fall noch nicht entschieden, man darf ruhig noch etwas Streit und Verwässerung erwarten. Zweitens ist überhaupt nicht klar, ob es nicht auch politische Gründe für den Schritt der Regierung, das Staatsfernsehen abzuschalten, gab. Vielleicht war es ja auch zu kritisch geworden?

Das allerdings droht bei uns nicht, ganz im Gegenteil: Man hat schon den Eindruck, dass die politischen Parteien bei ARD und ZDF in der ersten Reihe sitzen und das Programm gehörig mitgestalten (nicht alle politischen Parteien übrigens, aber doch die etablierten, in den Rundfunkräten vertretenen).

Dennoch sollte der aktuelle Fall in Griechenland hierzulande die Diskussion um die ÖR wieder aufleben lassen. Denn ein Budget von über acht Milliarden Euro im Jahr ist ein Haufen Geld. Dieses Geld wird den Bürgern quasi als eine Sondersteuer (irrigerweise einmal als Demokratieabgabe bezeichnet) genommen. Gleichzeitig ist die Verschwendung dieses Geldes hinlänglich gezeigt worden, bis hin zu korruptem Verhalten oder gar räuberischer Bereicherung. Deshalb sollte die Debatte dahingehen, einen Kernbereich des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Radios zu definieren.

Auch hier gibt die ökonomische Theorie Auskunft. Alles das, was private Sender gegen einen Preis (pay-per-view oder monatliche Rate) verkaufen können, sollte ihnen überlassen werden. Dann hätte man wohl den Fußball, Formel 1, Musikantenstadl etc. bei den privaten Sendern. Das hätte den Vorteil, dass nur diejenigen Zuschauer dafür zahlen, die auch wirklich Interesse daran haben; weil es sehr viele sind, werden die Preise niedrig sein.

Diejenigen Sendungen, die privat keinen Markt finden würden, aber einen Wert haben und positive externe Effekte erzeugen können, sollten dem ÖR verbleiben. Darunter fallen vermutlich Informationssendungen, Kultur einschließlich beispielsweise des Kleinen Fernsehspiels, Bildungsprogramme und Geschichtssendungen. Auch eine echte Sportschau (mit Radball, Bogenschießen, Hockey und Tischtennis und anderen sog. Randsportarten) wäre denkbar. Die öffentlich-rechtlichen Sender böten dann wirklich ein öffentliches Gut an.

Das dürfte auf jeden Fall billiger sein, der journalistischen Qualität keinen Abbruch tun und den Wettbewerb um die Zuschauer mit guten Programmen intensivieren. Insofern lehrt der Fall des griechischen Staatsfernsehens schon etwas. Zumindest zeigt er, dass eine regelmäßige Überprüfung öffentlicher Aufgaben und Ausgaben sehr wohl sinnvoll ist.

Bleibt noch die Frage nach der Finanzierung. Es spricht viel dafür, einen solchen Kern-Qualitäts-ÖR aus Steuermitteln zu finanzieren. Die Menschen würden dann weder eine Sonderabgabe zu tragen haben noch von einer schon jetzt völlig überflüssigen Gebühreneinzugszentrale belästigt werden.

Das Fazit lautet also, dass es gute Gründe für öffentliches Fernsehen und öffentlichen Rundfunk gibt. Allerdings sollten diese deutlich abgespeckt und auf die wesentlichen Aufgaben konzentriert werden. Vielleicht kann Griechenland hier ein Vorbild sein.

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