Freytags-Frage

Wann beendet die Politik endlich den Subventionsirrsinn?

Noch nie in der Geschichte zuvor hat der Staat so viele Subventionen ausgeschüttet wie 2015. Dabei schaffen die Zahlungen falsche Anreize und fördern Verantwortungslosigkeit. Wie wir da wieder rauskommen.

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Die Förderung von Kohle und Bergbau war über Jahrzehnte eine Priorität für die Politik, lässt aber zunehmend nach. Quelle: AP

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft hat in dieser Woche seinen aktuellen Subventionsbericht veröffentlicht; das Ergebnis ist in der Tat ernüchternd. Noch nie in der Geschichte hat der Staat so hohe Subventionen an die Wirtschaft gewährt. Insgesamt flossen in 2015 rund 2.100 Euro pro Kopf der Bevölkerung, in Summe also 168,7 Milliarden Euro an die Privatwirtschaft. Im Vergleich zu 2007 (dem Jahr vor der Wirtschaftskrise) waren es in 2015 über 27 Mrd. Euro mehr.

Dabei wurden weniger die Zahlungen an Unternehmen angehoben – sie sanken sogar absolut seit 2007, und damit sehr stark auch relativ – als die Unterstützung von private und öffentliche Unternehmen ohne Erwerbszweck. Dabei fallen besonders die Kindertagesstätten mit einem Anstieg von 11,6 Mrd. Euro in 2007 auf 22,2 Mrd. Euro in 2015 sowie Krankenhäuser, deren Förderung seit 2007 annähernd auf 16,3 Mrd. Euro verdreifacht wurde ins Gewicht. Auch die Kulturförderung ist gestiegen (von 2007: 5,6 Mrd. Euro auf 2015: 8,2 Mrd. Euro).

Landwirtschaft und Bergbau werden zunehmend weniger gefördert, das dürfte eine der wenigen guten Nachrichten im Bericht aus Kiel sein. Der Verkehr bleibt anteilig gleich und mit 25 Mrd. Euro der größte Einzelposten. Interessant ist auch eine weitere Verschiebung: In 2007 machten Steuervergünstigungen in der Summe 24,5 Mrd. Euro (damals 17,3 Prozent) aus, in 2015 stieg dieser Posten auf 36,5 Mrd. Euro (nun 21,7 Prozent) an. Steuervergünstigungen kann man leichter verschleiern als direkte Zahlungen.

Hinter den Kulissen der Spendenindustrie
Misereor Quelle: Presse
terre des hommes Quelle: dpa Picture-Alliance
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Eine Hand steckt am 18.11.2011 in Kaufbeuren eine Ein-Euro-Münze in eine Geldsammelbüchse. Quelle: dpa
Stiftung Menschen für Menschen Quelle: obs
Deutsches Rotes Kreuz Quelle: dpa

Man muss noch auf einen weiteren Umstand hinweisen. Die Kieler Autoren definieren Subventionen zwar so umfassend wie möglich, können aber aus Mangel an Daten zahlreiche faktische Subventionen, z.B. Bankenhilfen, den Subventionsgehalt von Export- und anderen staatlichen Bürgschaften nicht erfassen. Ebenfalls nicht erfasst sind Zwangszahlungen Privater zur Förderung bestimmter politisch gewollter Ausgaben; hierunter fallen vor allem die Ökostromumlage und die GEZ-Gebühren für das öffentlich-rechtliche Fernsehen; letztere liegen bei über acht Mrd. Euro pro. Wenn man all diese Ausgaben erfasst und den Subventionen zuschlägt, nähern sich die Subventionen schätzungsweise eher 200 Mrd. an.

Jede einzelne Zahlung dürfte ohne einen Blick auf die Opportunitätskosten und mit Blick auf die politischen Umstände leicht und plausibel zu begründen sein. Wer würde nicht der Förderung von Kindertagesstätten zustimmen wollen? Wer würde es nicht befürworten, die Krankenhäuser zu modernisieren? Will jemand das Sinfonieorchester abschaffen? Wer hat etwas gegen Ökostrom? Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen, auch mit Unternehmen oder Aktivitäten, die keine Subventionen erhalten? Übrigens schlagen die Kosten für die Bewältigung der Flüchtlingskrise bei diesen Steigerungen kaum zu Buche.

Dennoch gibt es ein Problem. Insgesamt sind die Zahlen ein Indiz für einige Fehlanreize in der Gesellschaft. Die Soziale Marktwirtschaft, auf die sich die meisten politischen Entscheidungsträger nach wie vor berufen (zumindest hat die Bundesregierung ihr noch nicht offiziell abgeschworen), sieht das Prinzip Kompetenz und Haftung vor. Das heißt, die privaten Akteure sind nicht nur für ihre Gewinne verantwortlich, sondern stehen auch für ihre Verluste ein. Die meisten der Subventionen dürften der Abdeckung von Verlusten dienen.

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