Freytags-Frage

Warum sind die Deutschen so technologiefeindlich?

Egal, ob Fracking, Genmais oder Nuklearphysik: Politik und Gesellschaft wenden sich zunehmend von der Erforschung neuer Technologien ab - und verpassen so große Chancen.

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Gegen Genmais, gegen Fracking, Nuklearanlagen. Deutsche sind Technologiefeindlich Quelle: dpa

Um die Probleme in der Welt zu lösen, gibt es Wissenschaft. Ihre Vertreter versuchen, z.B. naturwissenschaftliche oder sozialwissenschaftliche Zusammenhänge zu verstehen und daraus beispielsweise Lösungen zur Bekämpfung von Krankheiten und weltweitem Hunger oder zur Energiegewinnung herauszuarbeiten. Dieser Wissenschaftsprozess findet idealerweise in einem möglichst globalen Wettstreit zwischen Firmenlabors, Universitäten und anderen Forschungsinstitutionen statt. Daraus ergeben sich oft spannende Geschichten, wie etwa die Suche nach der Doppelhelix an verschiedenen Universitäten in den frühen 1950er Jahren.

Dabei ist es keineswegs ausgemacht, dass jede neue Technologie auch tatsächlich zur Anwendung kommt. Manche erweisen sich als nicht tragfähig, einige sind schlicht zu teuer, andere sind zu riskant. Aber der Wissenschaftsprozess sollte unvoreingenommen und offen ausgestaltet sein. Wissenschaftler wählen ihre Themen, legen ihre Annahmen offen, geben ihre Quellen preis und veröffentlichen ihre Erkenntnisse.

"Das wollen wir nicht!"

Die Deutschen – allen voran die Politiker – sehen dies anders. Sie wenden sich zunehmend von der Erforschung neuer Technologien ab. Dahinter steht die Haltung: „Das wollen wir nicht!“ Unter das verstehen die Akteure dann Fracking, Genmais, Erdwärme, Nuklearphysik oder anderes. Dabei wird noch nicht einmal der Versuch unternommen zu verstehen, was hinter einigen Technologien steckt. Die Forschung dazu wird dann schlicht eingestellt. Oder aber Versuchsfelder werden von Umweltschützern unter Beifall ihrer Gesinnungsgenossen in den Parlamenten vernichtet. Dieser Rückfall in die Vormoderne ist aus verschiedenen Gründen völlig unsinnig.

  • Erstens beschränkt er den Möglichkeitsraum unnötig. Wenn wir Forschung einstellen, lernen wir weder Chancen noch Risiken neuer Technologien kennen.
  • Zweitens verringert sich die Attraktivität des Wissenschaftsstandortes Deutschland. Vor diesem Hintergrund scheinen die Initiativen, deutsche Spitzenforscher aus dem Ausland zurückzuholen, nicht besonders ernst gemeint zu sein.
  • Drittens werden andere trotzdem an den Tabu-Themen forschen. Weil ihnen der Wettbewerber aus Deutschland abhanden kommt, werden die Forschungsergebnisse vielleicht nicht so umfassend wie möglich sein.
  • Auf jeden Fall werden viertens andere die bei uns so gefürchteten Technologien verwenden. An den deutschen Grenzen bauen unsere Nachbarn munter Kernkraftwerke, die wir hier verteufeln. Nun machen Nuklide nicht an Grenzen halt. Und wir können noch nicht einmal dazu beitragen, dass die Technologie sicherer wird.
  • Fünftens setzen wir uns sogar der Gefahr aus, dass die neuen Technologien immer mehr von denjenigen beherrscht werden, die damit auch Übles vorhaben. Wie kann man so dumm sein, die Erforschung der Kernenergie aufzugeben, wenn Diktatoren in Nordkorea, im Iran oder in Russland damit weiter experimentieren?
  • Sollten sich aus neuen Technologien gute Beschäftigungsmöglichkeiten ergeben, sind wir sechstens nicht beteiligt.
  • Im Gegenteil, wir müssten siebtens im Zweifel teure Lizenzgebühren oder hohe Preise für die neuen Produkte zahlen.

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