Görlachs Gedanken

Was die SPD tun muss, um nicht unterzugehen

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"Nur Rezepte aus der Vergangenheit"

In Deutschland wird, nicht nur bei der SPD, aber vor allem da, in der folgenden Weise vom Arbeitsmarkt, dem aus ihm zu schöpfenden Steueraufkommen und den Aufgaben, die dem Staat zukommt, bei der Verteilung der Einnahmen durch diese Steuer, gedacht: Die Matrix der Einnahmenreihe des Staates ist die unbefristete Festanstellung. Über sie werden die Abgaben in die Rente und die Arbeitslosenversicherung geleistet. Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilten sich die Kosten für die Krankenkasse. Und natürlich ist die Rente sicher.

Es gibt aber immer weniger Kinder und immer weniger sozialversicherungspflichtige Festanstellungen. Über eine Reform der Einnahmenseite des Staates wird aber nicht laut genug neu nachgedacht. Das wäre nun die Aufgabe der SPD. Neu heißt nicht, Steuern rauf und Erben superhoch besteuern. Es heißt sich klar zu machen, dass das Bruttoinlandsprodukt heute nicht mehr ausschließlich mit Menschenhände Arbeit erwirtschaftet wird. Es heißt klar herauszustellen, dass künftig mehr und mehr schlaue Maschinen, Algorithmen und Roboter Wert generieren und Arbeit verrichten werden. Das hat weitreichende Folgen. Wir gehen in die größte Veränderung der Arbeitswelt seit Mitte des 19. Jahrhunderts.

von Max Haerder, Thomas Schmelzer, Marc Etzold

Die Partei aber, die hier vorangehen müsste, verpennt das Thema und hat, wenn der Mund dann doch mal aufgeht, nur Rezepte aus der Vergangenheit. Wir brauchen aber einen neuen Gesellschaftsvertrag, der über ein Grundeinkommen, die Besteuerung von Roboterarbeit und anderen Maßnahmen den sozialen Ausgleich schafft und ideologisch in die Zukunft springt. Das Narrativ der Arbeit, welches aus der protestantischen Ethik kommend bis heute den Selbstwert des arbeitenden Menschen feststellt, ist erledigt. Etliche päpstliche Enzykliken betonen, dass der Mensch Würde und Stand als Person durch die Arbeit erhält. Sie ist also mehr als nur Broterwerb, sondern Identitätsstifter. Erledigt. Hat die SPD das auf dem Schirm? Nein! Haben es die anderen Parteien? Nein, aber von der SPD würde man das zuerst erwarten. Anstelle dessen geht der Blick zurück.

Die bisher geführten Gespräche mit der Union belegen das. Mehr Ausgaben in der Rente kommen sicher, mehr Belastung durch Steuern hätte man gerne (in Zeiten, in denen der Staat vollste Kassen hat). Das wird aus der SPD dauerhaft die 18 Prozent Partei machen, auf die sie in Umfragen ja schon zuläuft. Sie zelebriert eine Sozialromantik aus dem vergangenen Jahrhundert, mit Hilfe derer die Generationen jener Zeit heute in den Genuss von Renten kommen, die für die Nachgeborenen wie Märchen aus einer versunkenen Welt klingen werden.

Die Botschaft: Die Zukunft ist egal. Und ist der Verlängerung des Alten und Hergebrachten wird so lange weitergemacht, bis man selbst durch ist. Nach uns die Sintflut. Wenn diese große Koalition überhaupt nur einen Hauch von Daseinsberechtigung haben soll, dann muss sie einen ganz, ganz großen Wurf in Richtung Zukunft machen. Oder sie lässt es besser gleich sein.

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