
Ist es eine akute Terrorbedrohung, die Thomas de Maizière zu diesem ungewöhnlichen Schritt bewegt? Fast scheint es so, als wollten die Experten im Bundesinnenministerium nicht auf den nächsten Anschlag warten, um bei den Bundestagsabgeordneten der Großen Koalition für einen äußerst ungewöhnlichen Plan zu werben: Die Bundesregierung will eine neue Sicherheitsbehörde schaffen, die nur eine einzige Aufgabe bekommt. Eine „Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich“, kurz Zitis genannt, soll ab 2017 alle verschlüsselten Botschaften im Internet dechiffrieren.
Bis zu 400 Mitarbeiter sollen sich ausschließlich damit beschäftigen, die immer öfter eingesetzten Chiffrier-Verfahren von Telekom-Konzernen, Telefonherstellern und App-Anbietern zu knacken. Das Ziel ist klar: Die Strafverfolger und Staatsschützer wollen auch die geheimen Botschaften im Internet lesen, die Terroristen und Cyberbanden über soziale Netzwerke und andere schwer zugängliche Kommunikationskanäle austauschen.
Deutschland will das Darknet ausleuchten
Sicherheitsbehörden und Geheimdienste verspüren seit jeher den Drang, alle Kommunikationskanäle mit lauteren und unlauteren Mitteln anzuzapfen, um sich ein umfassendes Bild über die Aktivitäten der Gegenseite zu verschaffen und ein möglichst exaktes Bild über die Sicherheitslage zu erstellen. Die Enthüllungen des ehemaligen NSA-Agenten Edward Snowden haben gezeigt, mit welcher Perfektion die US-Geheimdienste das massenhafte Ausspähen der globalen Datenströme betreiben. Bei diesem Wettrüsten im Cyberraum will die Bundesregierung nun mitspielen und die besonders dunklen Ecken im sogenannten Darknet, dem für viele unsichtbaren Teil im Internet, ausleuchten.
Auf dem Spiel steht damit aber die Vertrauenswürdigkeit der deutschen IT-Anbieter. Mit staatlicher Forschungsförderung und mit Hilfe des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik schuf Deutschland in den vergangenen Jahren eine eigene Verschlüsselungsindustrie, die auch im Ausland einen guten Ruf genießt.
In vielen Segmenten des Internets, bei Hardware, Software und Betriebssystemen, hat Deutschland den Anschluss verloren. Im Bereich Datensicherheit und Verschlüsselung aber nicht. Dort wuchs in den vergangenen Jahren ein kleine, aber feine Gruppe aus mehreren deutschen Spezialanbietern wie Secunet und Rohde & Schwarz heran, die durchaus zu den Pionieren von hochsicheren Verschlüsselungslösungen gehört, wie Studien des Bundeswirtschaftsministeriums mehrfach feststellten.





Sie entwickeln kryptografische Systeme, die nicht nur im Regierungsnetz, sondern auch in der Privatwirtschaft zum Einsatz kommen. Als „vertrauenswürdige Anbieter“ werben diese Anbieter mit dem Gütesiegel „Security Made in Germany“ und hoffen darauf, dass ihre Produkte auch ein Exportschlager werden.
Ihr großer Vorteil: Im Gegensatz zu den Konkurrenten aus den USA konnten sich die Kunden bisher darauf verlassen, dass es keine Hintertüren und Gegenschlüssel für Sicherheitsbehörden und Geheimdienste gibt. Eine Behörde zu gründen, die genau diese Gegenschlüssel künftig entwickelt, könnte die Vertrauenswürdigkeit der deutschen Kryptografie-Techniken nachhaltig schädigen.