Interview mit DJV-Chef Überall Warum ARD und ZDF unverzichtbar sind

Ein gebührenfinanzierter Rundfunk ist in einer Demokratie unverzichtbar, sagt DJV-Chef Überall. Deshalb blickt er mit Sorge auf den Volksentscheid in der Schweiz.

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„Wir brauchen sowohl den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als auch private Medien.“ Quelle: dpa

Berlin Die Schweizer stimmen am Sonntag darüber ab, ob die Rundfunkgebühr des Alpenlandes abgeschafft wird. Die Gebühr liegt pro Haushalt mit Empfangsgeräten bei 451 Franken im Jahr (391 Euro). Ab 2019 soll jeder Haushalt 365 Franken (316 Euro) bezahlen. Auch wenn die Gebühren in Deutschland deutlich niedriger ausfallen (210 Euro pro Haushalt), könnte die Auseinandersetzung in der Schweiz Kritikern von ARD und ZDF Auftrieb geben. Ob zu Recht oder zu Unrecht, darüber spricht der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbands, Frank Überall, im Interview.

Herr Überall, ist der gebührenfinanzierte Rundfunk in einer Demokratie verzichtbar?
Nein, denn wir brauchen Medienvielfalt. Wir brauchen sowohl den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als auch private Medien. Aber privatwirtschaftlich meinen vor allem viele Verlage, dass Journalismus nicht mehr finanzierbar ist. Zeiten, in denen es flächendeckend in den meisten Gegenden mindestens zwei voneinander unabhängig berichtende Tageszeitungen gab, sind leider vorbei. Vielfalt der Berichterstattung und der veröffentlichten Meinung ist für eine demokratische Willensbildung essentiell. Wir müssen diesen gesellschaftlichen Anspruch an uns selbst ernst nehmen, und dazu gehört aus meiner Sicht eben untrennbar auch der öffentliche Rundfunk.

Ist es zeitgemäß, wenn die Bürger ihn zahlen müssen, ob sie wollen oder nicht?
Die Sendeanstalten, die den Beitrag bekommen, haben einen öffentlichen Auftrag – also letztlich einen Auftrag, der legitimiert ist durch die Bürger, oder zumindest deren Mehrheit. Ich bin davon überzeugt, dass es immer noch einen breiten Konsens gibt, dass dieser Auftrag richtig ist und wir ihn aufrechterhalten wollen. Eine solche auch journalistische Grundversorgung ist in ähnlicher Weise wichtig als gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe wie der Betrieb von Theatern, Schwimmbädern oder Schulen. Für die Erfüllung solcher öffentlicher Aufträge bezahlen alle Bürger, auch die, die nie ins kommunal betriebene Theater oder ins Schwimmbad gehen. Ich finde das nicht unzeitgemäß, sondern gesellschaftspolitisch angemessen.

In der Schweiz entscheidet nun das Volk darüber. Auch in Deutschland wird über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutiert. Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch etwa kritisierte der Talksendung „Maischberger“: „Wir werden nicht objektiv informiert.“ Hat Sie recht?
In Einzelfällen kann es in jedem System, in dem Menschen arbeiten, immer Fehler geben. Wichtig ist, dass professionell journalistisch gearbeitet wird und auch mit Fehlern professionell umgegangen wird. Das ist beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk doch der Fall, immerhin durfte Frau von Storch ihre kruden Thesen ja – wie Sie erwähnen – bei „Maischberger“ in einer öffentlich-rechtlichen Sendung äußern. Das war doch wohl selbst für Frau Storch objektiv genug?

Aber wie gesagt, ein System muss ständig dazulernen, um sich zu verbessern. Daran arbeiten meine Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen jeden Tag hart. Und: Wir machen das ja nicht zum Selbstzweck. Wir erfüllen unseren Auftrag. Den hat uns die Gesellschaft gegeben, und sie können sich darauf verlassen, dass wir unseren Job professionell machen. Es irritiert, wenn ein dauerhaft erteilter Auftrag ernsthaft in Frage gestellt wird.

Sind ARD und ZDF in ihrer bestehenden Form unverzichtbar oder sehen Sie Reformbedarf? Etwa, indem die Sender deutlich verschlankt werden oder möglicherweise sogar (teil-)fusioniert?
Ein System muss sich immer auch selbst die Frage stellen, wie es besser werden kann: Machen die öffentlich-rechtlichen Anstalten beispielsweise schon genug in neuen Medienformaten wie Augmented Reality, verpassen sie den Anschluss daran, was gesellschaftlich gewünscht bzw. gefordert wird? Die von Ihnen genannten Beispielforderungen nach Verschlankung oder Fusion würde immer auch eine bewusste Verschlechterung des journalistischen Programms bedeuten. Ich empfinde das nicht als angemessen oder gar wertschätzend und kann mit diesen Forderungen deshalb nichts anfangen.

Warum?
Es gibt eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die ja nicht vom Himmel gefallen ist. Sie ist ein gesellschaftlicher Pakt, der vom Bundesverfassungsgericht immer wieder bestätigt worden ist. Warum sollten wir diesen Pakt leichtfertig aufweichen? Weil es uns zu teuer wird? Wir wollen doch nicht wirklich darauf verzichten! Und die öffentlich-rechtlichen Sender sind sich aus meiner Sicht ihrer Verantwortung sehr bewusst, dass sie kostensparend arbeiten müssen. Das haben sie mit ihren bisher vorgelegten Sparplänen bereits deutlich gemacht.

Glauben Sie, dass die Schweizer Abstimmung die Stimmungslage in Deutschland beeinflussen wird?
Ich befürchte, wenn die Forderung nach einer faktischen Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Schweiz eine Mehrheit bekommt, wird das zum diskursiven Durchlauferhitzer für Kritiker hierzulande. Sollten die Schweizer an ihrem System festhalten, werden die Diskussionen zwar nicht beendet sein, sie dürften aber nicht weiter in einer solch zugespitzten Schärfe geführt werden wie das derzeit zuweilen der Fall ist.

Herr Überall, wir danken für das Gespräch.

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