Jamaika gescheitert Der Anfang von Merkels Ende ist da

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CDU: Außen imposant, innen morsch?

Parteien sterben wie alte Bäume von innen. Äußerlich erscheint die CDU noch imposant, aber im Innern ist sie völlig morsch. Sowohl personell als auch inhaltlich fehlt der Partei jegliche Vitalität – zumindest in der Kaste ihrer Berufspolitiker. Die zaghaften Versuche innerparteilicher Revolten im Herbst 2015 scheiterten letztlich mit der erbärmlichen Feststellung, dass es niemanden gäbe, der Merkel ersetzen könne. Ohne Merkel und die mit ihr einhergehende Macht fürchten die CDU-Granden den völligen Zusammenbruch. Diese Furcht vor dem Nichts – oder besser: vor dem Offenbarwerden des Nichts – hält Merkel an der Parteispitze und damit im Kanzleramt.

Merkel hat diesen inneren Vitalitätsverlust wenn nicht herbeigeführt, so jedoch zumindest verstärkt. In der DDR-Komödie „Sonnenallee“ rechtfertigt in einer tragikomischen Szene ein junger Mann seinen SED-Beitritt gegenüber den entsetzten Freuden: Er gehe jetzt „rinn in die Organisation“, und werde sie „von innen aushöhlen“. Merkel hat das in 17 Jahren als Parteivorsitzende mustergültig vorexerziert. Ihre Taktik beruhte und beruht weiterhin darauf, politische Vitalität, also starke Positionen und starke Persönlichkeiten, in der Partei zu ersticken. Durch beharrliches Aussortieren kritischer und machthungriger Konkurrenten, durch Verhinderung von Diskursen, durch kommunikative Konstruktion von Alternativlosigkeit.

Zuletzt gelang ihr das noch einmal, indem sie die geforderte offene Analyse der Verluste bei den Bundestagswahlen geschickt verzögerte. Schließlich wurde die geplante Vorstands-Klausur am vergangenen Wochenende dann abgesagt - wegen der sich länger als geplant hinziehenden Sondierungsgespräche. Sprechen sollten auf der Klausur übrigens zwei erklärte Anhänger Merkels: Der Historiker Paul Nolte und der Nachhaltigkeitsforscher Ortwin Renn.

Dennoch: Viel spricht dafür, dass diese Methode nicht mehr lange funktionieren wird. Egal, ob es nun zu Neuwahlen oder einer Minderheitsregierung kommen wird: Merkel kann das Heft immer weniger fest in der Hand halten. Wie und wann sie es endgültig fallen lassen muss, ist offen. Aber allzu lange wird es nicht mehr dauern.

Die gescheiterten Sondierungen haben gezeigt, dass es nach 17 Jahren merkelscher Alternativlosigkeit durchaus noch streitlustige, positionsstarke Politiker gibt. Das ist gut so. Das „Scheitern“ von Jamaika ist daher keine schlechte, sondern eine gute Nachricht. Für Merkels Machtsystem ist es der Anfang vom Ende, für Deutschland, seinen politischen Betrieb und nicht zuletzt die CDU ist es die Chance einer Revitalisierung.

Jamaika-Gespräche gescheitert - Statements der Beteiligten

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